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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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hast du vergessen, dass ich die Vormundschaft für dein Kind habe?«
    »Nein. Aber ...«
    »Nichts da, Henry bleibt auf Rozenburg.«
    »Du willst mir doch jetzt nicht mein Kind wegnehmen?«
    »Du kannst auch gern hierbleiben, wenn dir das nicht passt.«
    Da war er wieder – dieser Blick.
    Julie zuckte zusammen.
    In den folgenden Stunden überlegte sie fieberhaft, was sie tun sollte. Hier auf der Plantage würde sich nichts ändern, sie musste Jean finden. Und von der Plantage aus würde sie nie erfahren, wo er sich aufhielt. Aber konnte sie Henry allein lassen? Der Kleine war erst fünf Monate alt.
    Pieter würde dem Kind nichts tun, Henry war der rechtmäßige Erbe auf Rozenburg. Und Martina war ja auch noch da. Auch wenn ihr Verhältnis angespannt war, um Henry sorgte sich Martina, nach ihrem anfänglichen Zögern, inzwischen wie um ihr eigenes Kind. Amru konnte sich auch kümmern. Sie würde ja nicht lange fort sein, vielleicht einige Wochen. Und sie konnte jederzeit zurück auf die Plantage kommen. Die Sehnsucht nach Jean überwog. Er würde wissen, was zu tun war, und er würde ihr helfen, die Plantage vor Pieter zu retten.
    Julie rief nach Kiri. »Kiri, ich werde einige Zeit in der Stadt verbringen.«
    »Soll ich packen, Misi?«
    »Ja, bitte.«
    »Wann fahren wir?«
    Julie trat auf ihre Leibsklavin zu und fasste sie mit den Händen an den Oberarmen. »Kiri, hör zu, das ist jetzt nicht so einfach für mich, aber ...« Sie ließ Kiri los und wandte sich ab. »Ich fahre allein. Du wirst mit Henry hierbleiben.«
    »Aber«, stammelte Kiri. Die Enttäuschung war ihrer Stimme anzuhören.
    »Kein Aber, Kiri, das ist schon schwer genug für mich. Ich darf Henry nicht mitnehmen, und du bist mit ihm vertraut wie kein anderer. Du musst auf ihn aufpassen!«
    »Misi, natürlich.« Kiri senkte den Blick, und Julie bemerkte, dass ihre Sklavin weinte.
    »Kiri, ich werde nicht lange fort sein, das verspreche ich.«
    »Ja, Misi.«
    Noch ahnte sie nicht, dass sie dieses Versprechen nicht halten würde.

Het is niet alles goud, wat er blinkt
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
    Surinam 1862
Paramaribo, Batavia, Plantage Rozenburg,
Goldsucherlager

Kapitel 1
    Julie stand schwitzend in der Mittagssonne. Am Vormittag hatte es noch unwetterartige Regenfälle gegeben, dann riss der Himmel auf, und die Sonne brachte die Straßen zum Dampfen. Julie wartete wieder einmal auf die Ankunft des Kapitäns eines der großen Frachtschiffe, die regelmäßig zwischen Surinam und Nordamerika oder Europa pendelten.
    Nachdem sie in der Stadt in den vergangenen zwei Wochen alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, herauszufinden, wo Jean geblieben war, aber keine einzige hilfreiche Antwort erhalten hatte, versuchte sie es seit einiger Zeit am Hafen. Auch Valerie, die Julie bei der Suche nach Jean unterstützte, wusste keinen Rat. Jean schien wie vom Erdboden verschluckt.
    Wenn er das Land verlassen hatte, erinnerte sich vielleicht einer der Kapitäne an den Passagier. Leider hatte sie auch damit bisher wenig Erfolg gehabt. Dies ließ sie andererseits hoffen, dass Jean noch im Land war. Wenn er allerdings das Land über die grüne Grenze verlassen hatte, dann wusste wohl nur der Himmel, wo er jetzt steckte.
    Die kleinen Beiboote der Justine dümpelten langsam auf den Anleger zu. Julie versuchte, aus der Entfernung zu erkennen, wo sich der Kapitän befand. Die Seemänner hatten oft nichts Eiligeres im Sinn, als in einer der Hafenkneipen zu verschwinden oder die Damen in einem der Häuser zu besuchen, über die man öffentlich lieber nicht sprach. Da galt es, den Kapitän schnell zu erwischen.
    »Juliette?« Julie zuckte erschrocken zusammen, als eine Frauenstimme hinter ihr ihren Namen aussprach. Verwundert drehte sie sich um – und blickte direkt in ein paar sanfte braune Rehaugen. »Erika!«
    Die beiden Frauen fielen sich sofort in die Arme und drückten sich freundschaftlich. Auch wenn sie damals während der Überfahrt nicht besonders viel Zeit miteinander verbracht hatten, hatten die Geschehnisse sie doch zusammengeschweißt. Julie freute sich in diesem Moment riesig über das Wiedersehen.
    »Erika, wie geht es Ihnen?«, rief sie aufgeregt und schob die Frau eine Armlänge von sich. Julie bemerkte, dass trotz der Wiedersehensfreude auf Erikas Gesicht ein dunkler Schatten lag. »Ist alles in Ordnung? Wie geht es Ihrem Mann?«
    Erika senkte betrübt den Blick. »Oh! Entschuldigen Sie, wenn ich ... Aber ich freue mich sehr, Sie zu sehen.«
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