Im Land der tausend Sonnen
Anwaltskammer skrupellos auf persönlichen Irrtum plädieren und sich damit bestenfalls eine Rüge einhandeln würde. Doch er konnte Philps nicht ungeschoren davonkommen lassen. Außerdem war sein Klient, dieser Mr Meissner, ein vernünftiger Bursche. Was konnte es ihm nützen, wenn ein Anwalt eine Stellungnahme abgab und der andere sie entkräftete? Augenscheinlich konnte der Mann sich einen aufwändigen Rechtsstreit nicht leisten. Es war angeraten, ihm ein langwieriges Gerichtsverfahren zu ersparen.
Er griff nach den Papieren. »Es liegt auf der Hand, dass Sie sich, gelinde gesagt, im Irrtum befinden, Philps. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Wenn es Ihnen lieber ist, dass ich die Anwaltskammer nicht unterrichte, könnten Sie einen Widerruf für mich schreiben, den ich Mr Meissner aushändigen würde. Das würde mir schon reichen.«
Dieses Angebot stellte Philps' Zuversicht einigermaßen wieder her.
»Sie stehlen mir meine Zeit, Hobday. Wenn Sie anderer Meinung sind als ich, schreiben Sie Ihrem Klienten doch Ihre eigene Stellungnahme auf.«
»Oh nein. Damit würde ich unserem Berufsstand einen schlechten Dienst erweisen und uns alle als Streithähne abqualifizieren. Allerdings … wenn ich Ihre Rechtsauffassung in diesem Streitfall dem Herausgeber unserer Zeitung vorlegen und ihn bitten würde, sie abzudrucken …« Er unterbrach sich und zog mit sicherer, entschlossener Geste seine Weste straff. »Ich fürchte, den allgemeinen Aufschrei könnte man bis nach Brisbane hören. Die Leute hier kennen die Gesetze, die sind keine Neulinge wie die da oben in Bundaberg.«
»Schon gut. Was wollen Sie also?«
»Ganz einfach. Einen Brief an Mr Meissner, der geduldig drüben bei mir wartet. In diesem Brief erklären Sie, dass Sie sich geirrt haben. Schreiben Sie, was Sie wollen, aber bringen Sie klar und deutlich zum Ausdruck, dass er als Pächter des besagten Landes der rechtmäßige Besitzer der gesamten Flora ist.«
»Sie können meinen Brief nicht veröffentlichen. Das ist meine private Korrespondenz.«
»Wieder falsch. Der Brief gehört Mr Meissner, genauso wie das Holz. Schreiben Sie jetzt endlich, ich will nicht den ganzen Tag hier herumstehen.«
»Er kommt.« Der Buchhalter stand am Fenster und spähte nach unten. »Jetzt überquert er die Straße. Scheint bester Laune zu sein. Hoffentlich hat er Philps nicht verprügelt.«
»Verprügelt?«, fragte Jakob verdutzt.
»Ja, das letzte Mal, als er mit ihnen aneinander geraten ist, hat er dem Sohn eins aufs Ohr gegeben.«
Der Anwalt stürmte die Holztreppe hinauf zu Jakob. »Bitte schön, Mr Meissner. Sie brauchen sich nicht auf meine Meinung allein zu verlassen. Unser Freund auf der anderen Straßenseite hat seine Behauptung widerrufen und gibt jetzt freimütig zu, dass die Flora – das heißt, das gesamte Pflanzenleben – auf Ihrem Besitz Ihnen gehört. Einschließlich des Bauholzes, versteht sich. Jetzt können Sie die Holzfäller wieder zu sich bestellen und brauchen nichts mehr auf Dixons Gequatsche zu geben. Und noch etwas sollten Sie sich gut merken, Mr Meissner. Sie haben das Land von der Regierung gepachtet, nicht von den Dixons, also beachten Sie sie gar nicht.«
Jakob lehnte sich, überwältigt vor Erleichterung, in seinem Sessel zurück. Er war plötzlich so müde, als wäre er am Ziel einer langen Reise angelangt und könnte endlich seine Bürde ablegen.
Er stand auf. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mr Hobday. Ich hätte nicht gedacht, dass das Problem sich so schnell lösen lässt.«
»Weil Anwälte als Bürokraten bekannt sind?« Hobday grinste.
»Nein, Sir. Überhaupt nicht. Ich wollte nicht unhöflich sein. Der Ritt nach Maryborough, die Chance, jemanden zu finden, der uns hilft, das war für mich ein Glücksspiel. Der Weg hierher ist so weit, verstehen Sie? Und dann ist es plötzlich vorüber. Die Sorge. Entschuldigen Sie, ich bin jetzt ganz durcheinander. Aber ich muss Ihnen danken.«
»Es war mir ein Vergnügen, Mr Meissner.«
Jakob zückte seine Geldbörse. »Dürfte ich Sie jetzt bezahlen?«
»Aber sicher. Das macht zwei Bob. Zwei Shilling.«
Der Buchhalter zog angesichts dieser Summe die Brauen hoch, und Jakob hatte
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