Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Land der tausend Sonnen

Titel: Im Land der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
Steintreppe, und zwar schnell, damit die Speisen nicht kalt auf den Tisch kamen, der sich drei Etagen höher befand. Dort war das Leben eines Dienstmädchens schwer gewesen; sie arbeiteten hart, ohne jemals den Kopf heben zu dürfen, geschweige denn zu erleben, dass die Reinhardts fragten: »Wie geht es dir?« Eines Tages, das schwor Hanni sich, würde sie es schaffen, ihnen zu schreiben.
            An diesem Abend hatten die Dixons nur einen Gast. Mr Mayhew bewohnte das erste Zimmer im Gästeflügel, am anderen Ende des Flurs, auf dem sich das bedeutend kleinere und schlichtere Zimmer der Fechners befand. Hanni hatte ihn gelegentlich schon gesehen, wenn er mit Mr Keith ausritt. Er war ein fleischiger, rothaariger, nicht eben großer Typ mit einem lauten Lachen. Mehr nicht.
             
            Die Köchin hatte ihr ein paar Frauenzeitschriften zum Lesen gegeben, als sie ihre Arbeit in der Küche beendet hatte. Sie löschte das Licht und stieg die Wendeltreppe hinunter, die auf den Weg zu ihrer Wohnung mündete. Die Nacht war mild, ein wenig frisch, und wie immer glitzerten die Sterne am Himmel. Hanni hatte keine Eile. Lukas war nicht da, also erwartete sie ohnehin nur das leere Zimmer, aber diese Zeitschriften würden ihr zumindest helfen, die einsame Zeit zu überbrücken. Sie schaute liebend gern diese Bilder an, besonders die Werbeanzeigen, um zu erfahren, was die reichen Damen so trugen. Die Köchin hatte gesagt, dass Mrs Dixon nach diesen Anzeigen häufig Handschuhe und andere Accessoires bestellte und sich anliefern ließ, was Hanni mächtig beeindruckte.
            »Wie aufregend«, sagte sie zu sich selbst und überlegte, ob sie sich vielleicht auch einmal etwas würde liefern lassen können, doch in diesem Augenblick bemerkte sie Mr Mayhew, den Gast des Hauses, der hinter ihr den Weg entlangstolperte.
            »Warte doch, kleine Dame«, brummelte er und legte die Arme auf ihre Schultern. »Warum so eilig?«
            Hanni duckte sich, um sich ihm zu entziehen, doch er hielt sie fest, zog sie an sich und versuchte sie zu küssen.
            Während sie mit ihm rang, das Gesicht abwandte, um seinen nassen Küssen zu entgehen und die starke Hand abzuwehren, die sie festhielt, gab Hanni keinen Ton von sich. Es war nicht das erste Mal, dass so ein Rüpel sie gepackt hatte, doch bisher war es in der alten Heimat geschehen, wo sie schreiend um sich schlagen und gezielt zutreten konnte. Aber dieser Mann gehörte zur Herrschaft, war Gast des Hauses. Und sie kannte die damit verbundenen Gefahren … Gäste pflegten in solchen Situationen die Schuld auf die Dienstmädchen zu schieben, und sie wusste von Mädchen, die auf Grund der Zügellosigkeit von Gästen gefeuert worden waren.
            »Wehr dich nicht so, kleines Mädchen«, lachte er. »Ich tu dir nicht weh. Mann, oh Mann, du bist ja wie eine kleine weiche Maus.«
            Er hielt sie immer noch fest, und als Hanni den Boden unter den Füßen verlor, taumelten sie zusammen in die Büsche am Wegesrand. Hanni, die Lippen fest zusammengepresst, um ihn nicht wüst zu beschimpfen, schaffte es, zurück auf den Weg zu gelangen, nur um einem anderen Mann in die Arme zu laufen, während Mr Mayhew sie immer noch festhielt.
            »Also wirklich«, sagte Mr Keith über ihren Kopf hinweg. »Lass das gefälligst, alter Bursche. Was soll das denn?«
            »Nur ein bisschen Spaß«, keuchte Mayhew, doch er ließ Hanni los, und sie rannte davon, voller Angst, dass sie Ärger bekommen würde, weil sie einen Gast brüskiert hatte. So verliefen solche Geschichten doch immer. Die Männer waren stets im Recht.
            Keith hob die Zeitschriften auf, die sie hatte fallen lassen, und staubte sie ab. »Charlie, du bist besoffen. Komm, ich bring dich in dein Zimmer. Nein, doch nicht da entlang, da unten sind die Dienstbotenquartiere. Hier geht's lang.«
            »Ich bin nicht besoffen«, sagte Charlie, als sein Freund ihn zur Tür brachte. »Nur ein bisschen durch'n Wind. Komm doch noch auf einen Schlaftrunk rein. Hab zufällig 'nen guten Rum da. Selbst gebrannt, weißt du, aus meiner Destille. Verdammt guter Stoff, glaub mir.«
            Keith folgte ihm in sein Zimmer. »Wir können nicht dulden, dass du das Personal belästigst, Charlie. Weißt du, das geht einfach nicht. Mutter bekommt einen Anfall.«
            »Mein lieber Freund, ich habe das kleine Schätzchen nicht

Weitere Kostenlose Bücher