Im Land Der Weissen Wolke
protestierend, als James Anstalten machte, den Stall zu verlassen.
»Ich schenke ihn dir.« Gwyneira wünschte auf einmal, dass James wenigstens ein Andenken an sie haben sollte. An sie und Fleur. An die Tage im Hochland. An die Hundeschau auf ihrer Hochzeit. An all die Dinge, die sie gemeinsam getan hatten, die Gedanken, die sie geteilt hatten ...
»Du kannst ihn nicht verschenken, er gehört dir nicht«, sagte James leise. »Mr. Gerald hat ihn in Wales gekauft, weißt du das nicht mehr?«
Und ob Gwyn es noch wusste. Und ob sie sich an Wales erinnerte und die höflichen Worte, die sie damals mit Gerald gewechselt hatte. Damals hatte sie ihn für einen Gentleman gehalten, etwas exotisch vielleicht, doch ehrbar. Und wie gut sie sich an die ersten Tage mit James erinnerte, als sie ihm die Tricks zum Trainieren junger Hunde beigebracht hatte. Er hatte sie ernst genommen, obwohl sie ein Mädchen war ...
Gwyneira blickte sich um. Cleos Welpen waren jetzt reif zum Absetzen, aber nach wie vor liefen sie meist ihrer Mutter nach und wuselten deshalb auch jetzt um Gwyneira herum. Sie bückte sich und hob den größten und schönsten Welpen hoch. Eine junge Hündin, fast schwarz, mit Cleos typischem Collie-Lächeln.
»Aber die hier kann ich verschenken. Die gehört mir. Nimm sie an, James. Bitte nimm sie!« Spontan drückte sie James den Welpen in die Hand. Die Hündin machte sofort Anstalten, ihm das Gesicht zu lecken.
James lächelte und blinzelte verschämt, damit Gwyn die Tränen in seinen Augen nicht sah. »Sie heißt Friday, nicht wahr? Freitag, Robinsons Gefährte in der Einsamkeit ...«
Gwyn nickte. »Du musst nicht einsam sein ...«, sagte sie leise.
James streichelte den Hund. »Jetzt nicht mehr. Vielen Dank, Miss Gwyn.«
»James ...« Sie trat näher an ihn heran und hob das Gesicht zu ihm. »James, ich wünschte, es wäre dein Kind.«
James küsste sie leicht auf den Mund, so sanft und ruhig, wie sonst nur Lucas geküsst hatte.
»Ich wünsche dir Glück, Gwyn. Ich wünsche dir Glück.«
Gwyneira weinte haltlos, als James gegangen war. Sie blickte ihm von ihrem Fenster aus nach, sah ihn über die Felder davonreiten, den kleinen Hund vor sich auf dem Sattel. Er wandte sich dem Hochland zu. Oder würde er über ihre Abkürzung nach Haldon reiten? Für Gwyn war es egal, sie hatte ihn verloren. Sie hatte beide Männer verloren. Außer Fleur blieben ihr nur Gerald und dieses verfluchte, unerwünschte Kind.
Gerald Warden brachte die Schwangerschaft seiner Schwiegertochter nicht zur Sprache, nicht einmal, als sie so offensichtlich wurde, dass jeder sie auf den ersten Blick erkannte. Deshalb wurde auch die Frage der Geburtshilfe nicht besprochen. Diesmal wurde keine Hebamme ins Haus geholt, kein Arzt konsultiert, um den Verlauf der Schwangerschaft zu kontrollieren. Gwyneira selbst versuchte, ihren Zustand so weit wie möglich zu ignorieren. Sie ritt bis in die letzten Wochen hinein auch die feurigsten Pferde und versuchte, nicht an die Geburt zu denken. Vielleicht würde das Kind ja nicht überleben, wenn sie keine fachkundige Hilfe erhielt.
Entgegen Helens Erwartungen hatten sich Gwyneiras Gefühle für das Kind während der Schwangerschaft nicht geändert. Die ersten Bewegungen des neuen Lebens, bei Ruben und Fleur damals begeistert begrüßt, erwähnte sie nicht einmal. Und als das Kind einmal so heftig zappelte, dass Gwyneira aufstöhnte, kam anschließend kein launiger Kommentar zu der offensichtlichen Gesundheit des Ungeborenen, sondern nur ein böses: »Heute ist es wieder lästig. Ich wünschte, es wäre endlich weg!«
Helen fragte sich, was Gwyn damit meinte. Mit der Geburt würde das Baby schließlich nicht verschwinden, sondern lautstark seine Rechte anmelden. Vielleicht würden sich Gwyns Muttergefühle dann ja endlich regen.
Zunächst aber nahte Kiris Stunde. Die junge Maori freute sich auf ihr Kind und versuchte ständig, Gwyneira dabei mit einzubeziehen. Sie verglich lachend den Bauchumfang der Frauen und neckte Gwyn damit, dass ihr Baby jünger, aber doch wohl größer sei. Tatsächlich entwickelte Gwyneira einen enormen Bauch. Sie versuchte, ihn möglichst zu verstecken, aber manchmal, in ihren dunkelsten Stunden, befürchtete sie fast, sie trüge Zwillinge aus.
»Unmöglich!«, sagte Helen. »Matahorua hätte das gemerkt.«
Auch Rongo Rongo lachte nur über die Befürchtung ihrer Herrin. »Nein, da nur ein Baby drin. Aber schönes, starkes. Keine leichte Geburt, Miss Gwyn. Aber keine
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