Im Land des Falkengottes. Amenophis
Imresch unsere Sprache nahezu akzentfrei sprach.
Fürst Imresch war nicht älter als fünfunddreißig Jahre und hatte schulterlanges, in der Mitte des Kopfes gescheiteltes, blauschwarzes Haar. Er trug über den Lippen und um das Kinn einen kurz gestutzten Bart, seine Nase war spitz und schlank, die Lippen schmal und dunkelblau. Seine ganze Gestalt war fast schmächtig, doch über hager hervortretenden Backenknochen blitzten unter dünnen pechschwarzen Brauen die dunkelgrünen Augen einer Katze.
«Erlaubt mir, Eje», begann Imresch das Gespräch. «Erlaubt mir, dass ich den Einzigen Freund Seiner Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, einfach anspreche.»
«Euch zu Diensten Fürst», gab ich zurück, hielt ihm dem Becher entgegen und sagte, mich leicht nach vorne beugend und weinselig grinsend: «Auf Euren Ka!»
«Auf Euren Ka!», erwiderte Imresch.
Ich wusste zwar aus meinem Unterricht bei meinem eigenen Vater, dass man sich vor babylonischen Diplomaten hüten musste wie vor Sandvipern, aber all das schien an diesem Abend vergessen. Er umschmeichelte mich, erzählte Geschichten von meiner Familie, die selbst ich nicht kannte, und pries unentwegt meinen Freund und Herrscher Nimuria. Irgendwann wurde es mir zu viel, und ich platzte frei heraus: «Fürst Imresch! Bei allem Respekt, aber wenn ein Babylonier so feine Saiten auf die Laute zieht, was begehrt er dann?»
«Ich spreche es offen aus: Als mich mein Herrscher vor Monaten hierher entsandte, hatte ich den Auftrag, den Vater Seiner Majestät, sie lebe, sei heil und gesund, den großen Osiris Thutmosis, zu bitten, seine Tochter meinem König Kurigalzu zur Frau zu geben.»
«Fürst Imresch, Ihr wisst genauso gut wie ich, dass kein Pharao irgendeine seiner Töchter, gleich von welcher Frau, einem fremdländischen König, und sei er noch so mächtig, zur Frau geben würde! Außerdem hat ein grausames Schicksal, das die Götter uns bescherten, Eurem Auftrag vorzeitig den Boden entzogen! Prinzessin Amenipet ist tot.»
«Ich weiß es, teuerster Eje. Ich weiß es und empfinde tiefstes Mitleid. Aber ich wäre kein Babylonier, hätte ich nicht einen anderen Vorschlag zu unterbreiten.» Er nahm seinen Becher und prostete mir zu.
«Auf Euren Ka», lachte er vorsichtig.
«Auf Euren Ka», erwiderte ich und sagte sogleich: «Ich höre, Fürst Imresch.»
«Auch mein Herrscher, unser Kassitenkönig Kurigalzu, hat eine Tochter, deren Anmut und Schönheit den Vergleich selbst mit Eurer edlen Schwester Teje nicht zu scheuen braucht. Dass sie nicht Große königliche Gemahlin werden kann, sehe ich heute selbst. Aber als eine der Nebengemahlinnen Nimurias …» Imresch hielt mir wieder den Becher entgegen.
«Und warum fragt Ihr ausgerechnet mich, Fürst Imresch?», spielte ich den Ahnungslosen.
«Großer Eje, erlaubt mir die Offenheit: So jung wie Ihr seid, besitzt doch niemand hier im Saal, nicht einmal Euer Vater, so viel Einfluss auf Pharao wie Ihr. Das wusste unser Herrscher Kurigalzu bereits, bevor Nimuria in Waset gekrönt wurde.»
Auch wenn ein jedes seiner Worte der Wahrheit entsprach, so wurde mir erst jetzt zum ersten Mal richtig bewusst, in welcher Position ich mich befand.
«Glaubt Ihr nicht, dass ich ein schlechter Kuppelpartner bin, wo Seine Majestät mit meiner eigenen Schwester noch nicht einmal verheiratet ist?»
Mit meiner rechten Hand, in der ich den Weinbecher hielt, zeigte ich dabei auf Ameni und Teje. Da musste sogar derdurchtriebene Imresch lachen. Aber irgendwie hatte sein Angebot verfangen, denn ich wurde neugierig.
«Was verlangt denn Euer Herrscher?», setzte ich leise nach. Imresch neigte seinen Kopf zu mir, schaute aber zu Amenophis, tat so, als wolle er trinken, doch er legte den Rand des Bechers nur auf die Unterlippe und flüsterte mir zu: «Gold, Eje! Nur Gold! Nicht mehr.»
«Aber davon reichlich», entgegnete ich ihm und wusste, dass es immer das gleiche Spiel sein würde. Ihre Frauen gegen unser Gold. Aber warum nicht? Unsere Schatzhäuser waren gefüllt und würden es mit meiner Hilfe auch bleiben.
«Und ich, Fürst Imresch», flüsterte ich ihm jetzt ins Ohr. «Und ich?»
Er schien zu meinem Erstaunen darauf gefasst gewesen zu sein und sagte völlig ungeniert und halblaut, sodass es mein Vater ohne weiteres hören konnte: «Darauf meine Tochter, Eje.» Er erhob erneut den Weinbecher, um mir zuzuprosten. Auf einen Schlag war ich nüchtern.
«Verehrter Fürst Imresch! Abgesandter des Kassitenkönigs von Babylon», wurde ich
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