Im Land des Falkengottes. Amenophis
Dreh dich bitte um!»
Ich griff nach meiner Ebenholzschatulle und holte mein Geschenk für sie heraus, einen prächtigen Halskragen. Er bestand aus sieben Reihen mit abwechselnd gelben und roten, senkrechten Röhrenperlen und einer letzten Reihe mit sechsundvierzig tropfenförmigen Anhängern aus Karneol, blaugrünem Glasfluss und Gold. Den Verschluss bildeten zwei goldene Falkenköpfe, deren Augenbrauen über den schwarzen Obsidianaugen in Karneol gefasst waren.
Ich legte Perisade den Halskragen von hinten um, verschloss ihn unter ihrer Löwenmähne und bat sie, sich umzudrehen. Perisades Eltern und meine Freunde waren gleichermaßen sprachlos. Perisade befühlte das Schmuckstück erst mit beiden Händen und sah auf ihre Brust hinab. Dann lief sie mit großen Schritten in den Palast, um sich in einem Spiegel zu betrachten. Als sie zurückkehrte, war sie wie ausgewechselt: Gesetzten, ruhigen Schrittes, den Kopf hoch erhoben, und mit ernstem, würdevollem Blick, wie ich ihn nur von meiner Schwester Teje kannte, kam Perisade auf uns zu. Sie blieb neben mir stehen, ergriff meine Hand, und sagte zu ihren Eltern gewandt:
«Ich bin der festen Überzeugung, dass wir wirklich sehr gut zusammenpassen. Außerdem hat Eje einen erlesenen Geschmack. Ich liebe ihn!»
Dann drehte sie sich zu mir um, hielt mit ihren Händen meinen Kopf und gab mir, alle babylonische Sittenstrenge vergessend, einen innigen Kuss.
Am nächsten Tag erreichte mich ein Brief von Amenophis, in welchem er ausführlich von der Jagd in der Oase Fajum berichtete. Dem Brief waren drei Heilige Käfer aus gebranntem, blauglasiertem Ton beigefügt, ein jeder faustgroß. Ameni wies mich in seinem Brief an, je einen Käfer König Kurigalzu und Fürst Imresch zu überreichen, der dritte war für mich bestimmt.Auf ihrer Unterseite befand sich neben der vollständigen Titulatur Nimurias folgende Inschrift:
«Ein Wunder ist Seiner Majestät widerfahren. Es kam Einer zu Seiner Majestät und sagte: ‹Es sind wilde Stiere in der Wüste von Schetep.› Seine Majestät fuhr am Abend den Fluss hinab in der königlichen Barke ‹Erschienen in Wahrheit›. Die Reise ging zügig voran, und am Morgen erreichte er unbeschadet die Gegend von Schetep. Seine Majestät erschien auf seinem Streitwagen, gefolgt von seiner ganzen Armee. Man wies alle Offiziere und Soldaten wie auch alle Zöglinge des Palastes an, ein Auge auf die wilden Stiere zu haben. Dann befahl Seine Majestät, es solle ein Graben um die wilden Stiere gezogen werden, woraufhin Seine Majestät sich auf alle diese wilden Stiere stürzte.
Ihre Zahl: 170 wilde Stiere. Die Zahl, die der König an diesem Tag erlegte: 56 wilde Stiere. Seine Majestät wartete vier Tage, um seinen Pferden Ruhe zu gönnen. Dann erschien Seine Majestät auf seinem Wagen. Die Zahl der wilden Stiere, die er erlegte: 40 wilde Stiere. Gesamtzahl der wilden Stiere: 96.»
Ich stellte mir vor, welch ein entsetzliches Gemetzel stattgefunden haben musste, und dankte allen unseren Göttern, nicht daran teilgenommen zu haben. Denn so sehr ich ihm freundschaftlich verbunden war, seine Leidenschaft zur Jagd vermochte ich nicht mit ihm zu teilen.
In seinem Brief berichtete mir Ameni weiter, dass die Arbeiten in den Steinbrüchen gut vorangingen. Er sei voller Tatendrang. «Im Fajum habe ich meine Kräfte aufs Wunderbarste erneuert. Die Jagd ist für mich wohltuend, mehr ist sie für mich als alle Rezepte.»
Wie er von der Jagd zu unserem Liebesgedicht wechselte, beeindruckte mich.
Den Gedenkkäfer für Imresch übergab ich gleich. Mit derÜbergabe an König Kurigalzu wollte ich bis zu meinem nächsten Zusammentreffen mit ihm warten.
Fünf Monate verweilten wir jetzt schon in Babylon. Wir hatten viele neue Freunde gewonnen und ich sogar eine über alles geliebte Frau. Nach dem Brauch unseres Landes musste Perisade nach unserer Rückkehr einen ägyptischen Namen annehmen. Da es nur Liebe war, die uns verband, beschloss ich, ihr den ägyptischen Namen Merit, Geliebte, zu geben. Perisade gefiel dieser Name gut, und so nannte ich sie, wenn wir alleine waren, seit dieser Zeit Merit.
Wir waren jetzt fast unzertrennlich. Ich mied Ausfahrten und Zusammenkünfte, an welchen Merit nicht teilnehmen konnte. Stattdessen verbrachten wir unzählige Stunden in den Gärten oder im Palast ihres Vaters. Wir sprachen jetzt nicht mehr von den Göttern und der Geschichte unserer Länder, sondern ich musste ihr alles erzählen, was ich über meine Familie und
Weitere Kostenlose Bücher