Im Land des Falkengottes. Amenophis
von Men-nefer.
Wir verbrachten einen der vielen Abende auf der Dachterrasse des Palastes, als mich Ameni zuletzt bat, am anderen Morgen, zwei Stunden vor der ersten Besprechung, mit meinem Wagen im Hof vor der Audienzhalle zu warten. Mehr verriet er nicht.
«Was wird er vorhaben?», fragte mich Merit, nachdem wir unsere Gemächer erreicht hatten und noch im Fenster saßen, um die Kühle der Nacht zu genießen.
«Er tat recht geheimnisvoll», fügte sie hinzu.
«Ich habe keine Ahnung, Liebe. Du kennst ihn. Es kann allesbedeuten: eine neue Aufgabe, irgendein Tempel, der ihm gefällt und der umgebaut werden soll, eine Werkstatt für neue Streitwagen oder eine Waffenschmiede.»
Gerade als ich in den Hof einfuhr, lief Ameni in großen Schritten die Stufen der Palasttreppe herab, sprang auf seinen Wagen, und ehe ich stehen bleiben und etwas sagen konnte, rasten wir, begleitet von sechs weiteren Streitwagen, durch die Höfe des Palastes ins Freie.
Wir fuhren durch die Stadt in südlicher Richtung, dann, auf halber Strecke zwischen dem Tempel der Mut und dem südlichen Heiligtum, nach Osten, auf eine unscheinbare Anhöhe, die mir bekannt schien. Schließlich erreichten wir eine lange weiße Mauer mit einer breiten Einfahrt zwischen zwei mächtigen Tortürmen, hinter welchen der Garten des Neferhotep, des betrügerischen Bürgermeisters von Waset lag. Langsam bogen wir auf den Kiesweg ein, welcher noch immer durch dicht stehende Sykomoren führte. Doch siehe: Der Palast, das herrliche Anwesen Neferhoteps stand nicht mehr. Es war bis auf die Grundmauern abgetragen und weggeräumt. Es sah unheimlich aus. Am Ende der Auffahrt hielten wir an, und Ameni stieg ab, nachdem er sich kurz das Nemes-Kopftuch zurechtgerückt hatte.
«Zu diesem Anwesen gehören zehntausend Aruren Ackerland, ein Stall mit etwa zwölf Pferden und zweihundert Rindern sowie einhundertdreißig Bedienstete. Am Fluss liegen bereits Tausende fertiger Ziegelsteine bereit, die nur darauf warten, verbaut zu werden. Was du sonst an Baumaterial brauchst, kannst du in beliebiger Menge von meinem Baumeister Amenophis verlangen. In meinen Werkstätten darfst du dir an Möbeln aussuchen, was dir gefällt und was nicht ausdrücklich dem Palast vorbehalten ist.»
Dann übergab mir Ameni ein eingerolltes und gesiegeltes Schriftstück.
«Ich ließ den Palast Neferhoteps abbrechen, weil ich nicht wollte, dass du im Haus eines Verbrechers wohnst. Errichte dir ein neues Haus nach deinen eigenen Vorstellungen und Wünschen. Hier ist niedergeschrieben, dass dieses Anwesen für immer dir und deinen Nachkommen gehört.»
Ich konnte einfach nicht glauben, was Ameni mir da gerade gesagt hatte, und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen ernst an, als er mir die Rolle überreichte.
«Und warum?», fragte ich nur ganz leise und zögerlich.
«Als ich dich vor fast sechs Jahren bat, im Palast zu bleiben und bei mir zu wohnen, war ich noch ein Junge. Ich hatte nach dem Tod meines Vaters Angst, alleine zu sein, auch wenn Hunderte Soldaten und Diener mich umgaben. Jetzt habe ich eine Familie, und du hast eine Frau. Es wird Zeit, dass du dir ein eigenes Zuhause schaffst, das deiner Stellung und deiner Leistung für mich gerecht wird. Deswegen wirst du gleichwohl der Einzige Freund und das Ohr Pharaos bleiben.»
«Wissen Vater und Mutter schon davon?»
«Ja, sicher. Gottesvater Juja selbst hat den Abbruch geleitet und überwacht. Die schönsten Gegenstände aus diesem Palast sollten doch erhalten werden. Auch daraus kannst du dir aussuchen, was du möchtest.» Ich winkte mit der rechten Hand ab.
«Nein, Ameni! Nicht seine Kunstgegenstände! Wer weiß, wo er sie gestohlen hat!»
Dann drehte ich mich einmal langsam um die eigene Achse, bis ich Ameni wieder ansah. Ich brachte kein Wort hervor, sondern fiel vor ihm nieder auf die Erde, wie es der Brauch war, wenn Pharao Grundbesitz übertrug.
«Steh auf Eje! Das muss hier nicht sein.»
Er bückte sich ein wenig, ergriff mich am Arm und zog mich hoch.
«Ich weiß nicht, wie ich dir das danken kann, Ameni. Solcheinen Besitz, um den mich ganz Waset beneiden wird, habe ich nicht verdient.»
«Eje! Du bist fast zwanzig Jahre alt, und du hast schon so viel für mich getan. Lass es gut sein! Komm noch heute mit Merit hierher und besprecht euch, wie euer Haus aussehen soll, und dann beginnt zu bauen.»
Wir gingen im Schutz einiger Offiziere einmal durch den Garten und besichtigten die dahinter liegenden Stallungen und ihre
Weitere Kostenlose Bücher