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Im Land des Falkengottes. Amenophis

Im Land des Falkengottes. Amenophis

Titel: Im Land des Falkengottes. Amenophis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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reden. Meine Eltern, Mutemwia, Ptahmose, niemand hatte etwas davon mitbekommen – nur ich. Und auch das wusste Ameni: Dass ich schweigen würde wie ein Grab. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich merkte, dass ich bzw. meine Ohren jetzt nicht mehr gefragt waren. Ich bat deswegen förmlich um Erlaubnis, mich für eine Weile entfernen zu dürfen und gab vor, mir sei unwohl. Ich langweilte mich. Vielleicht hätte ich doch mehr trinken sollen, denn überall um mich herum wurde gelacht, getanzt, geklatscht, geküsst. Ich bewegte mich langsam vom Thronsaal in Richtung Vorhof, wo sich vor allem die Vornehmen von Waset und die ranghöchsten Ausländer aufhielten. Ich muss gestehen, dass ich dort nichts unternahm, um mein Pektorale und meinen Siegelring zu verbergen, was mich als jemand auswies, der dem Thron sehr nahe stand. Aber auch dort langweilten mich die höflichen, aber oberflächlichen Redensarten.Schließlich gelangte ich in den großen Exerzierhof, an den sich die königlichen Gärten anschlossen. Wie anders war das Leben hier! Ausgelassene Menschen tanzten, feierten, tranken, klatschten zum Rhythmus der Musik in die Hände. Die meisten dort hatten schon so viel getrunken, dass sie für ein Pektorale, für einen Siegelring nichts mehr übrig hatten. Dort hielten sich Leute vom Stand meines Schreibers auf, Lagerverwalter, einfache Höflinge. Für einen Augenblick glaubte ich, auch meinen Vater gesehen zu haben. Ich wusste von ihm, dass er eigentlich lieber hier, bei den einfacheren Menschen verkehrte, als im Thronsaal bei den Reichen und Mächtigen. Er ließ sich dies vor den anderen seines Standes nie anmerken, aber alle wussten es, auch Ameni.
    Am Rande des Hofes standen einfache Feuerbecken. Deren Glut und ein paar Fackeln sowie die pralle, silberne Scheibe des Mondes bildeten die einzige Beleuchtung. Ab und zu drehte der Wind und blies mir beißenden Qualm in die Augen, die unweigerlich zu tränen begannen. Ich wollte gerade wieder gehen, da kam Unruhe in die Menge. Die einen begannen fröhlich zu johlen, die anderen klatschten in die Hände, und vor mir öffnete sich der Platz zu einem Kreis, in dem drei Flöten, drei Lauten und eine Harfe spielten und ein Mädchen seinen Tanz vorführte. Es war das Mädchen vom Vorabend, die Schöne aus dem Palast. Ich erkannte sie sofort wieder: das mit Henna rötlich gefärbte Haar, die auffällige Nase, die kräftigen Beine.
    Vor mir standen zwei, drei Reihen von Menschen, sodass mich das Mädchen nicht sehen konnte. Sie konzentrierte sich nur auf ihren Tanz. Ihr Gesichtsausdruck wirkte zunächst ernst, und erst mit der Zeit wurde sie gelöster, während der Tanz wilder, ekstatischer wurde. Die Umherstehenden feuerten sie an. Zum Rhythmus der Musik klatschten sie und riefen: «Inena, Inena, Inena!» Unaufhörlich.
    Schließlich wurde der Tanz langsam, die Musik ruhig, dieMenge schwieg. Inena kreiste mit den Hüften und begann, sich langsam nach hinten zu verbeugen, wie am Vorabend, nur noch begleitet vom Spiel des blinden Harfners. Ihre Hände berührten den Boden, die Haare fielen hinab, ich sah auf ihre Brüste. Da kreuzten sich unsere Blicke, und im gleichen Moment zeigte ihr Lächeln die weißen, makellosen Zähne, löste sich ihr Gesichtsausdruck, schien sie glücklich, mich wieder zu sehen. Dann schloss sie die Augen, ließ ihre Hüfte sinken – der Tanz war beendet.
    Doch nein, er war es nicht, sie schnippte mit dem Finger, und der Harfner begann erneut zu spielen, diesmal in Begleitung der Flöten. Ich spürte, nein ich wusste, dass dieser Tanz nur mir galt, und für ein paar Augenblicke dachte ich darüber nach, wieder davonzulaufen. Aber es ging nicht! Ihre Augen waren unaufhörlich auf die meinen gerichtet, ja, unsere Blicke waren wie aneinander gekettet. Zuletzt, die Menge klatschte und johlte wieder, kam sie auf mich zu, nahm meine rechte Hand, küsste sie und zog mir dabei blitzschnell den Siegelring vom Finger, steckte ihn zwischen die Zähne, lächelte mich an – und verschwand.
    Die Umherstehenden lachten spöttisch, und ehe ich mich versah, war das Mädchen Inena weg, einfach weg. Erst jetzt begriff ich die Situation. Ich hatte den königlichen Siegelring nicht mehr.
    Ich musste das Mädchen finden. Ich lief durch alle Höfe und Hallen, die königlichen Gärten, es gab kaum einen Winkel des Palastbezirkes, den ich nicht nach dem Mädchen Inena durchstöberte.
    Ich beschloss, nicht mehr zum Fest zurückzukehren, um mir und Ameni wenigstens an diesem Tag

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