Im Land des Falkengottes. Amenophis
nächste Frage wieder an den Baumeister.
«Wenn wir einigermaßen vorwärts kommen wollen: zehn weitere Schiffe, Majestät.»
«Zwanzig!», verbesserte ihn Pharao. «Wir bauen noch zwanzig Schiffe, Chati. Du wirst mit Meru nach Men-nefer vorauseilen und ohne Verzögerung mit dem Bau beginnen!»
«Da gibt es ein Problem, Majestät.» Chati verneigte sich demutsvoll.
«Das wäre?»
«Die Vorräte an Schiffbauholz reichen für höchstens fünf bis sechs Schiffe, Majestät.»
Schweigend blickte Amenophis in die Runde und suchte in den Augen seiner Berater nach einer Antwort.
«Libanon», sagte mein Vater regungslos und wiederholte: «Libanon!»
«Libanon? Davon hörte ich», sagte Ameni mit nachdenklicher Miene.
«Majestät, schon seit allen Zeiten holen die Ägypter das Bauholz für die Schiffe aus dem Libanon. Dort gibt es sowohl Fichten und Kiefern, als auch Zedern im Überfluss», ergänzte Meru.
«Eine gewaltige Expedition, Nimuria! Mit Tausenden von Soldaten, Sklaven und Eseln. Ein gewaltiges Unternehmen, Majestät! Euer verehrter Großvater, der Osiris Amenophis Aa-chepru-Re, führte eine solche Expedition durch.» Die Augen meines Vaters leuchteten.
«Wollt Ihr mir auch sagen, wer die Expedition damals leitete, Juja?»
Die Runde blickte gespannt auf Vater. Er senkte den Kopf und sagte leise: «Ich war es, Majestät. Ich selbst.»
Vater war jetzt vierzig Jahre alt, und alle Anwesenden wussten, dass man einem Mann seines Alters die Last einer solch gewaltigen Aufgabe nicht mehr zumuten konnte. Auch Amenophis wusste das. Unruhig biss er auf seine Unterlippe und gab schließlich die erlösende Entscheidung bekannt.
«Ptahmay, der Kommandant der Division des Ptah, liegt mit seinen Soldaten in der Garnison in Men-nefer. Juja, du wirst in den nächsten Tagen einen schriftlichen Marschbefehl mit möglichst vielen Einzelheiten ausarbeiten. Diesen Befehl, zusammen mit einem Schreiben von mir, werden Meru und Chati unverzüglich mit nach Men-nefer nehmen und dort Ptahmay übergeben. Ptahmay wird sofort mit den Vorbereitungen beginnen und mit dem Abmarsch nach Libanon warten, bis wir in Men-nefer eingetroffen sein werden. Dort wird er von Juja die letzten Anweisungen erhalten und sodann die Expedition durchführen. So werde es geschrieben und so geschehe es!»
Mit gelösten Gesichtszügen und schweigendem Nicken wurde von allen, vor allem von Vater, der Entschluss Pharaos als weise und weitsichtig begrüßt.
Amenophis Neb-maat-Re setzte damit Anstrengungen unseres ganzen Volkes in Gang, wie es sie seit dem Bau der großen Pyramiden bei Men-nefer nicht mehr gegeben hatte.
Tahuti bat mich durch seinen Schreiber um ein Gespräch unter vier Augen und schlug vor, eine etwas südlich von Waset gelegene Domäne zu besichtigen, um sichergehen zu können, dass wir ungestört, vor allem aber unbemerkt reden können. Lange vor Sonnenaufgang stand ich alleine mit Senu auf meinem zweispännigen Streitwagen vor der Domäne des Amun. Gemäß unserer Absprache erschien auch Tahuti nur mit einem Leibwächter auf einem Pferdewagen, und es begann eine fast zweistündige, wilde Fahrt in Richtung Süden, vorbei an Gärten und Feldern, Rinder- und Ziegenherden. Als unserWeg direkt am Fluss entlangführte, grüßten uns die ersten Fischer von ihren Booten und stiegen Tausende Vögel aus den Schilfgürteln empor, wenn unsere Gespanne donnernd vorbeirasten. Im Gegensatz zu Tahuti lenkte ich unser Gespann selbst und war mächtig stolz darauf, dass der Leibwächter Tahutis keine Gelegenheit fand, an mir vorbeizufahren. Ich genoss dieses Wagenrennen, denn wenn ich mit Amenophis unterwegs war, verbot es der Anstand, schneller zu fahren als er.
Erst kurz bevor wir unser Ziel erreichten, ließ ich Tahutis Gespann an meinem vorbei, da nur er den genauen Weg zur Domäne kannte. Wie ich nicht anders erwartete, fand ich ein prächtiges und gepflegtes Landgut vor. In der Kühle des Morgens tummelten sich auf allen Feldern die Arbeiter, und in den Ställen herrschte reges Treiben. Voll Stolz führte mich Tahuti überall herum. Schließlich erreichten wir einen Garten mit Dattelpalmen. Eigens hierzu dressierte Affen, die an langen Lederriemen festgebunden waren, warfen die Datteln von den Palmen, sodass sie von den Arbeitern nur noch aufgelesen werden mussten. Weit abseits im Garten erreichten wir ein Schattenhaus, in dem wir Platz nahmen.
«Du verstehst meine Vorsicht?», begann Tahuti das Gespräch. Ich nickte.
«Du beabsichtigst, die
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