Im Land des Roten Ahorns
nachzuweisen.«
Damit griff sie zur Teetasse, damit sie Petersen nicht in die Augen schauen musste.
Für einen Moment schwiegen beide.
Dann sagte der Anwalt: »Was den Wert des Hauses angeht, so werden die eingeschlagenen Scheiben ihn zwar ein wenig schmälern, aber ich glaube nicht, dass es viel ausmachen wird. Das Gebäude ist ansonsten in sehr gutem Zustand. Wenn Sie erlauben, würde ich gern einen Blick auf das Inventar werfen, damit ich am Vierundzwanzigsten nicht allzu überrascht bin.«
»Dann ist der Termin also am vierundzwanzigsten Februar.«
»Ja, in zwei Tagen. Einige Gläubiger wären am liebsten gleich morgen bei Ihnen eingefallen, aber ich habe sie davon überzeugt, dass Sie noch ein wenig Trauerzeit brauchen. So haben wir uns auf den Vierundzwanzigsten geeinigt. Dann haben Sie noch ein wenig Zeit, Dinge, die Sie nicht der Auktion unterwerfen wollen, beiseitezuschaffen.« Petersen zwinkerte ihr vertraulich zu. »Aber diesen Rat haben Sie nicht von mir.«
Jaqueline lächelte unsicher. So gut gemeint Petersens Ratschlag auch war, wenn sie sich von den Schulden befreien wollte, musste sie so viel wie möglich zur Versteigerung freigeben. Besonders jetzt, da einige Fensterscheiben im Haus fehlten.
Fahrkrog weiß genau, dass das den Wert des Hauses schmälert, ging ihr durch den Kopf. Wahrscheinlich wird er noch anderes versuchen, um mich zu schikanieren. Vielleicht hätten wir die Besichtigung doch schon morgen durchführen sollen.
»Ich danke Ihnen für alles, Herr Petersen«, sagte sie, nachdem sie noch einen Schluck Tee genommen hatte. »Aber ich werde nur ein paar persönliche Dinge an mich nehmen. Dinge, die für die Gläubiger keinen Wert haben. Ich möchte auf alle Fälle schuldenfrei in mein neues Leben gehen.«
»Das klingt, als hätten Sie schon einen Plan.«
»Den habe ich auch, aber erst einmal möchte ich die Gläubiger zufriedenstellen. Wollen wir uns die Räume ansehen?«
Zustimmend nickend erhob Petersen sich.
5
Jaqueline war sich darüber im Klaren, dass die Pfändung, abgesehen vom Tod ihrer Eltern, das Schlimmste sein würde, was sie bisher erlebt hatte.
Martin Petersen hatte ihr zwar ans Herz gelegt, das Haus zu verlassen, wenn die Gerichtsvollzieher die Habe ihres Vaters verteilten. Doch Jaqueline wollte dabei sein, um alles noch einmal zu betrachten, bevor es fortgeschafft wurde.
Nach einem dürftigen Frühstück, das aus Kaffee und einem aufgebackenen Rosinenwecken vom Vortag bestand, packte sie ein paar persönliche Dinge in ihre Teppichstofftasche.
Die Pfändung würde die gesamte Einrichtung und alle Wertsachen betreffen, auch die in ihrem Zimmer. Versonnen strich Jaqueline über die geschnitzte Kommode und die altmodischen Bettpfosten, bevor sie einige Kleider und Toilettenartikel in der Tasche verstaute. Dazwischen schob sie Briefe, die sie aufbewahren wollte, und die Schatulle mit dem exotischen Schmuck.
Vielleicht sollte ich die Brosche doch zur Tilgung der Schulden verwenden, überlegte sie, aber sie brachte es nicht übers Herz, den letzten Wunsch ihres Vaters zu missachten.
Ein Klopfen an der Tür erschreckte Jaqueline. Sie eilte zum Fenster. Die ersten Gläubiger standen vor dem Haus. Dass Fahrkrog nicht unter ihnen war, erleichterte sie ein wenig. Außer ihm hatte ihr niemand Schwierigkeiten bereitet.
Da die Männer zu früh erschienen waren und sie außerdem auf Martin Petersen warten mussten, überließ sie es Christoph, die Männer in Empfang zu nehmen, und trug ihre Tasche auf den Dachboden.
Da Petersen bereits festgestellt hatte, dass sich da oben nichts Wertvolles mehr befand, würde er mit ihnen gewiss nicht die steile Treppe hochsteigen.
Die staubige Luft der Dachkammer reizte Jaqueline zum Niesen. Rasch stellte sie ihr Gepäck ab und hielt sich die Hand vors Gesicht. Dann stieg sie wieder nach unten.
Christoph kam gerade den Korridor entlang. »Fräulein Halstenbek, die ersten Interessenten sind eingetroffen.«
Wie taktvoll von ihm, sie »Interessenten« zu nennen!, ging ihr durch den Kopf.
»Ist gut, ich komme.« Mit fahrigen Handbewegungen richtete sie ihr Haar.
In ihrer Magengrube rumorte und brannte es. Beinahe fühlte sie sich, als hätte sie heute Morgen anstatt des Kaffees Säure getrunken. Ihre Hände waren plötzlich eiskalt. Wenn dieser Tag bloß schon vorbei wäre!
Inzwischen waren weitere Gläubiger oder ihre Vertreter eingetroffen. Die Anwesenden hatten sich die Freiheit herausgenommen, ihren Konkurrenten die Tür zu
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