Im Land des Roten Ahorns
hervor. Die Schrift verschwamm vor ihren Augen, doch ein Satz hatte sich ihr ins Gedächtnis eingeprägt: Sie können sich stets auf mich als Ihren treuen Freund verlassen, sollten Sie einmal in Not geraten.
Damals wie heute widerstrebte es Jaqueline, ihn um Geld zu bitten, obwohl sie es bitter nötig hätte. Aber mittlerweile gab es doch etwas, was er tun konnte.
Jaquelines Blick wanderte über die Karte unter der gläsernen Schreibtischplatte, die ebenfalls von einer Pfandmarke verunziert wurde. Vaters erste Reise ...
Vor einiger Zeit hatte sie von einer Abenteurerin namens Anna Jameson gelesen, die nach Kanada reiste, um eine Ehe aufzulösen. Sie hatte große Bewunderung für die Frau empfunden. Warum sollte ich ihr nicht nacheifern?, fragte Jaqueline sich.
Ehe sie es sich versah, fand sie sich hinter dem Schreibtisch wieder, wo sie mit vor Aufregung zitternden Händen nach Papier und Schreibfeder griff. In ihrem Eifer stieß sie die Feder ein wenig zu fest in das Tintenfass, sodass sie den Boden berührte. Doch als sie zu schreiben begann, fühlte sie endlich wieder einen Funken Hoffnung.
6
Am Nachmittag des folgenden Tages starrte Jaqueline unschlüssig auf ein kleines Schaufenster in der Glockengießergasse. Je länger sie da stand, desto mehr gewann sie den Eindruck, dass sich die Pfandleihe zwischen den anderen Gebäuden duckte, als seien die Geschäfte, die hier geschlossen wurden, nicht rechtens.
Ihr Vater hatte es ihr freigestellt, die Brosche zu versetzen. Als sie das Haus verlassen hatte, war Jaqueline noch fest dazu entschlossen gewesen. Aber jetzt überfielen sie Zweifel. Die Brosche ist wunderschön, vielleicht sollte ich sie doch behalten, dachte sie. Sie hat einmal meiner Mutter gehört und ist das Letzte, was mir von meinem Zuhause bleiben wird.
Wovon willst du die Überfahrt nach Kanada denn bezahlen?, wisperte ihr eine Stimme ins Ohr. Dir bleibt keine andere Wahl, als das Schmuckstück zu Geld zu machen.
Schließlich gab Jaqueline sich einen Ruck und überquerte die Straße. Sie hatte das Gefühl, von den anderen Passanten gemustert zu werden, doch wenn sie sich nach ihnen umsah, blickten sie stets in eine andere Richtung.
Ihr Herz pochte, als sie die Klinke herunterdrückte und die Türglocke ertönte.
Zögernd betrat Jaqueline den Raum. Ein muffiger Geruch schlug ihr entgegen.
Beinahe wie auf unserem Dachboden, ging ihr durch den Sinn, während sie den Blick über die Gegenstände schweifen ließ, die zum Verkauf standen. Standuhren, Kommoden, Arzneischränkchen, Lampen, Laternen, Vasen warteten auf ihren alten oder einen neuen Besitzer. Hinter dem Verkaufstisch befand sich ein hoher Apothekerschrank, dessen Schubladen nummeriert waren und gewiss keine Medizin enthielten.
Kaum jemand würde zugeben, dass er seinen Schmuck oder andere Kostbarkeiten gegen Bargeld versetzt hat, dachte Jaqueline. Dennoch ist der Laden vollgestopft mit allen möglichen Dingen.
»Guten Tag, junges Fräulein, was kann ich für Sie tun?«
Die Stimme riss Jaqueline aus ihren Gedanken. Sprachlos starrte sie den Mann an, der wie aus dem Nichts hinter der Theke aufgetaucht war.
Der Pfandleiher war ein älterer Herr mit grau meliertem Backenbart und einem wirren Haarschopf, der am Oberkopf schon stark ausgedünnt war. Über seinem gestreiften Hemd trug er schwarze Armschoner und eine dunkelblaue Weste, an der eine silberne Uhrkette baumelte.
»Ahm ... Ich würde Ihnen gern etwas zur Leihe überlassen«, sagte Jaqueline, denn etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Ihre Hände zitterten, als sie das Kästchen aus der Handtasche zog und auf den Tresen stellte.
Als sie den Deckel aufklappte, stockte ihr einmal mehr der Atem. Die Edelsteine funkelten im Schein der Lampe, die auf der Theke ein warmes Licht spendete.
Jaqueline beobachtete, wie sich die Augen des Pfandleihers weiteten.
»Ein wunderbares Stück!«, rief er aus, klemmte sich eine Lupe ins rechte Auge und nahm die Brosche vorsichtig aus dem Kästchen. »Wissen Sie, woher es stammt?«
»Mein Vater hat es von einer seiner Reisen mitgebracht und mir vererbt.«
»Wirklich außergewöhnlich«, murmelte der Mann daraufhin, während er jeden Edelstein einzeln zu betrachten schien. »Das sind die reinsten Amethyste und Saphire, die ich je zu Gesicht bekommen habe. Und die mittleren haben eine ganz seltene Färbung.«
Jaqueline krallte die Hände in ihren Rock.
Sollte es eine größere Summe werden?
Auf einmal schämte sie sich. Das Schmuckstück hatte
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