Im Land des Roten Ahorns
nehme Sie bei mir auf, mache Ihnen ein Geschenk, und Sie schnüffeln in meinen Sachen herum?«, brüllte er und beugte sich drohend zu ihr hinunter.
Obwohl Jaqueline vor Angst beinahe verging, sah sie nun keinen Grund mehr, ihre Maskerade aufrechtzuerhalten. »Sie haben mir meine Papiere gestohlen!«, schleuderte sie ihm wütend entgegen. »Und mein Geld ebenfalls. Wahrscheinlich haben Sie den Pelz davon gekauft, nicht wahr? Sie sind pleite, Warwick!«
Ihr Gegenüber rührte sich nicht. Nur die funkelnden Augen verrieten, wie aufgebracht er war.
Jaqueline wurde bewusst, dass sie in diesem Raum gefangen war. Aber es gab jetzt kein Zurück mehr. Sie wollte Klarheit! »Wo sind meine Sachen? Sie hatten kein Recht, sie an sich zu nehmen!«, setzte sie hinzu.
»Ihre Papiere sind gut verwahrt«, entgegnete er erstaunlich gefasst. »Allerdings sehe ich schwarz, was Ihre Einbürgerung angeht.«
Bei diesen Worten klumpte sich Jaquelines Magen zusammen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, denn die Ausweglosigkeit ihrer Lage nahm ihr jeden Mut.
»Es gibt zwei Möglichkeiten, Miss Halstenbek«, erklärte Warwick kühl. »Entweder Sie reisen ab, was Ihnen aufgrund fehlender Mittel wohl schwerfallen wird. Oder Sie heiraten mich und werden aufgrund dessen kanadische Bürgerin.«
Jaqueline starrte ihn entgeistert an. Natürlich! Sie hatte richtig vermutet. Warwick hatte das von Anfang an geplant. Er hatte auf ihr Erbe spekuliert, als er sie ermuntert hatte, nach Kanada zu kommen.
»Ich werde Sie nicht heiraten«, entgegnete sie. »Schon gar nicht, nachdem Sie mich betrogen und bestohlen haben. Ich werde Ihr Haus auf der Stelle verlassen!«
Plötzlich schien etwas in seinem Kopf zu explodieren. »Oh nein, das wirst du nicht!«, fuhr er sie an und hob drohend die Hand.
Jaquelines Herz stolperte, aber sie wich keinen Schritt zurück.
»Sie können mich nicht dazu zwingen!«
»Und ob ich das kann!« Warwicks Augen verengten sich zu Schlitzen. »Du wirst mich heiraten! Und wenn ich dich dazu an den Haaren ins Trauzimmer schleppen muss. Ich brauche das Geld deines Vaters und bin bereit, alles dafür zu tun! Also nimm dich in Acht!«
Diese Worte trafen Jaqueline wie eine Ohrfeige. Verzweiflung stieg in ihr auf. Sie war diesem Kerl schutzlos ausgeliefert. Was sollte bloß werden? Hätte ich ihm bloß geschrieben, dass Vater ruiniert war!, dachte sie. Warum war ich nur zu stolz, das einzugestehen?
»Mein Vater hatte keinen Pfennig mehr«, presste sie endlich jämmerlich hervor. »Er war pleite, als er starb. Was meinen Sie denn, warum ich auswandern wollte? Nicht mal das Haus ist mir geblieben. Alles, was ich hatte, war das Geld für die Überfahrt.«
»Du lügst!«, bellte Warwick.
Er ist wahnsinnig, dachte Jaqueline entsetzt. Ich muss fort von hier, ehe er mir etwas antut. Sie hechtete zur Tür, doch Warwick setzte ihr nach und packte sie grob am Arm.
Obwohl sie wusste, dass ihr niemand zu Hilfe eilen konnte, schrie Jaqueline so laut, wie es ihre Kräfte erlaubten.
»Schrei nur! Dich hört sowieso keiner«, zischte Warwick. »Du wirst so lange hierbleiben, bis du einwilligst, meine Frau zu werden. Ich kann nicht riskieren, dass du aufgegriffen und als Illegale bestraft wirst.«
Damit zerrte er sie mit sich.
Jaqueline wehrte sich nach Leibeskräften. Sie zappelte, schlug um sich und zerkratzte Warwick das Gesicht, bis er ihr das Handgelenk umdrehte und ihr die Faust an die Schläfe rammte. Benommenheit erfasste sie, und Tränen schossen in ihre Augen.
Warwick schleppte sie durch den Korridor, drückte mit dem Fuß eine Tür auf und stieß Jaqueline so grob in den dahinterliegenden Raum, dass sie zu Boden fiel.
»Hier wirst du bleiben, bis du zur Vernunft gekommen bist!«, brüllte er. Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Als Jaqueline hörte, wie der Schlüssel umgedreht wurde, weinte sie hemmungslos. Wie naiv sie doch gewesen war! Wahrscheinlich hatte er sich überhaupt nicht um ihre Einbürgerung bemüht. Ob er das überhaupt beantragen könnte, wo er doch nicht einmal mit ihr verwandt war und auch keine Vollmacht von ihr besaß? Sie wusste nicht, was mehr schmerzte: Warwicks Übergriffe oder die Erkenntnis, dass sie viel zu blauäugig gewesen war und sich vollkommen in ihm getäuscht hatte.
8
Jaqueline saß auf dem Fußboden und sah mit geröteten Augen zum Fenster auf, vor dem sich bleigraue Wolkenschleier vor den Morgenhimmel schoben - ein Anblick, der genauso trostlos war wie ihre Lage.
Drei Tage
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