Im Land des Roten Ahorns
Jaqueline beinahe die Kehle zu. Dieses Biest lässt es sich nicht nehmen, mich zu verleumden, wo sie nur kann, durchfuhr es sie. »Dieser Mann war ein Bekannter meines Vaters, der mir nach seinem Tod Hilfe angeboten hat. Warwick wollte aber nur mein Erbe. Ich hatte ihm in meinen Briefen verschwiegen, wie schlecht es finanziell um uns stand. Kaum war ich hier, hat er mir meine Papiere abgenommen und mich eingesperrt. Den Rest kennen Sie ja.«
Monahans Augen verengten sich zu Schlitzen.
Wie sollte er mir auch glauben?, dachte Jaqueline resigniert. Die Geschichte klingt zu sehr nach einem schlechten Roman. »Wenn Sie mir nicht glauben, reiten Sie nach Chatham!«, verteidigte sie sich aufgeregt. »Das Haus auf dem Hügel gehört Warwick. Es hat bestimmt einen ziemlichen Brandschaden und -«
»Ich glaube Ihnen ja, Jaqueline. Warwick hat nichts davon gesagt, dass Sie seine Frau oder Verlobte sind. Das ist allein Marions Eifersucht entsprungen. Der Kerl ist jedenfalls auf der Suche nach Ihnen. An Ihrer Stelle würde ich mich der Polizei anvertrauen. Seine Tat ist Grund genug, ihn hinter Gitter zu schicken.«
»Aber wird mir die Polizei denn glauben? Immerhin bin ich eine Ausländerin ohne Papiere, und er ist ein Einheimischer und kann alles Mögliche behaupten. Wie Sie auf dem Ball mitbekommen haben, halten mich alle für ein Flittchen.«
Connor nahm sanft ihre Hand. »Es tut mir aufrichtig leid, dass Sie das alles erdulden mussten. Aber ich halte die Polizei wirklich für die beste Lösung.«
Auf einmal kam es Jaqueline so vor, als könne er tief in ihre Seele blicken. »Mein Leben hat sich von Grund auf verändert, seit mein Vater gestorben ist«, gestand sie leise. »Für die Gläubiger war ich Freiwild. Einer von ihnen hat meinen Diener ermorden lassen. Die Polizei hat versprochen zu ermitteln, aber solange ich in Hamburg war, ist nichts geschehen. Kanada war eine neue Hoffnung für mich.« Sie senkte den Kopf. Wieder einmal fühlte sie sich den Tränen nahe.
»Und Sie werden hier Ihr Glück finden«, sagte Connor und drückte ihre Hand. »Ich werde Sie beschützen und immer für Sie da sein, wenn Sie wollen.«
Jaquelines Wangen röteten sich schlagartig. Was hatte er da gesagt? Und wie er sie ansah! Sein Blick vermochte nicht nur die Angst in ihrem Bauch aufzulösen, er wärmte auch ihr Herz und weckte wieder diese unbändige Sehnsucht in ihr, sich in seine Arme zu werfen und sich an ihn zu schmiegen.
Nein, das darfst du nicht!, ermahnte sie sich sofort. Er gehört einer anderen.
Aber es half alles nichts. Sie schaffte es nicht, ihre zärtlichen Empfindungen zu unterdrücken. Jaqueline spürte einen Kloß im Hals. Nur mit Mühe wahrte sie die Fassung.
»Meine Verlobung mit Marion steht auf der Kippe«, erklärte er nun. »Wir haben uns gestritten. Ich kann es einfach nicht ertragen, dass jemand, der noch nie Not leiden musste, einen Menschen verurteilt, dem das Leben so übel mitgespielt hat. Marions Lächeln ist nur Fassade.«
Seine Worte nahmen Jaqueline den Atem. Verwirrt wich sie seinem Blick aus.
»Connor, ich ...« Vor Aufregung verschluckte sie den Rest des Satzes.
»Jaqueline«, raunte Connor und beugte sich vor, um sie zu küssen, doch sie entzog sich ihm.
Nein! Das darf nicht sein!, sagte sie sich erneut, obwohl sie sich diesen Kuss so sehr wünschte. »Bitte, Connor, ich will nicht, dass du meinetwegen ...«
Monahan legte die Hände sanft auf Jaquelines Schultern und drehte sie zu sich. »Jaqueline, sieh mich an, bitte!«, flüsterte er. »Mach dir keine Sorgen um mich! Meine Gefühle für Marion haben sich verändert. Und das nicht nur wegen dir. Seit der Auseinandersetzung auf dem Empfang ist mir einiges klar geworden. Vielleicht habe ich es unterschwellig längst gespürt, denn ich habe unseren Hochzeitstermin immer wieder verschoben. Und der Grund dafür war keineswegs die Arbeit, wie ich mir eingeredet habe. Marion hat sich verändert und ich mich auch.«
»Du liebst sie nicht mehr?«
Connor schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke nicht.«
»Du denkst?«
»Ich bin mir ganz sicher. Ich will mein Leben nicht mit Marion verbringen, sondern ...« Er stockte.
Jaqueline überlief es heiß und kalt. Der Abdruck seiner Hände schien sich in ihre Schultern einzubrennen. Sie wagte kaum zu atmen.
»Ich hatte dich von Anfang an gern, Jaqueline. Und ich will, dass du glücklich bist.«
»Aber das bin ich doch!«, flüsterte sie und schlug errötend die Augen nieder. »Zumindest dann, wenn du
Weitere Kostenlose Bücher