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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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fast den halben Vormittag brauchte. Immer wieder untersuchte das Mädchen einen Stein oder ein Blatt auf dem Weg – und nahm sich dafür alle Zeit der Welt. Als sie endlich den Strand erreicht hatten, stand die Herbstsonne schon im Zenit.
    Anne ging zielstrebig zu einem Felsen, der jetzt, während der Ebbe, hoch aus dem kniehohen Wasser aufragte. Hier wurde man schnell fündig – und tatsächlich hatte sie kurz darauf ihre Schürze voller großer, grünlippiger Muscheln, von denen sie wusste, dass sie nicht nur wohlschmeckend waren, sondern auch sehr fleischig und gehaltvoll. Die kleine Charly spielte in der Zwischenzeit am Strand mit einer nervösen Krabbe, die sie beharrlich daran hinderte, ins rettende Nass zurückzukehren. Anne sah immer wieder nach ihr und konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. So wie sie selbst ihre komplette Kindheit im Stall verbracht hatte, so spielte ihre Tochter jetzt an einem Sandstrand mit merkwürdigen Tieren. Das ganz sittsame Leben sah so oder so anders aus …
    Mit einem Mal richtete sich Charly auf, sah aufs Meer und ließ die verstörte Krabbe einfach laufen. Sie quiekte aufgeregt und deutete in die Ferne. Anne folgte ihrem Blick – und hätte vor Erleichterung fast aufgejubelt.
    Im Eingang der Bucht waren die typischen Segel eines Schoners aufgetaucht. Die Isabella , endlich wieder zu Hause – und das sogar schneller, als Anne es für möglich gehalten hätte. Sie hüpfte ins Meer, ignorierte, dass inzwischen die Flut eingesetzt hatte und sie damit bis zu den Oberschenkeln im kalten Wasser stand. Sie wollte David begrüßen – und sich darüber freuen, dass damit auch alles Notwendige für diesen Winter rechtzeitig in der Bucht angekommen war. Schnell rannte sie zur immer noch reglosen Charly, die das Schiff mit großen Augen anstarrte. »Papa ist wieder da! Stell dir vor, er ist wieder da!« Jubelnd hob sie ihre Tochter in die Höhe.
    An Bord erkannte sie schon eine Männergestalt, die schnell und mit geübten Handgriffen die Segel einholte. Zu ihrer Überraschung sah sie dann noch einen zweiten Mann daneben. Offensichtlich ein älterer Mann, denn er bewegte sich schwerfälliger, fast hatte es den Anschein, als ob er sich immer wieder zwischendurch festhalten musste, um in der Dünung nicht zu stürzen.
    Anne kniff die Augenbrauen zusammen. So spät, wie es inzwischen war, hatten sie also einen Gast für die Nacht – offensichtlich hatte David sich einen Matrosen für die Überfahrt von der Nord- auf die Südinsel angeheuert. Sie lächelte und winkte, während sie am Strand entlanglief, um der Isabella etwas näher zu kommen. Die kleine Charly presste sie dabei fest an ihre Hüfte.
    Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis der Anker fiel, das letzte Segel sicher vertäut und das Beiboot zu Wasser gelassen war. Sie sah, wie zwei Schafe über die Bordwand in das Beiboot gehoben wurden und dann – endlich! – sich David auf den Weg zu ihr machte. Der ältere Matrose blieb an Bord – wahrscheinlich musste David noch ein zweites und ein drittes Mal hinausfahren, um alle Schafe sicher an Land zu bringen.
    Anne winkte – und David ruderte ihr mit einem breiten Lachen das Beiboot fast direkt vor die Füße in den feuchten Sand. Er sprang in die Dünung und kam mit dem ersten großen Paket aus geöltem Leinen im Arm an den Strand. Hier ließ er seine Last sofort fallen, sank auf die Knie und umarmte Charlotte und Anne mit einer Innigkeit, die Anne fast die Tränen in die Augen trieb.
    Dann richtete er sich auf und sah Anne mit einem Augenzwinkern an. »Dich begrüße ich später ausgiebig. Aber jetzt komm, wir müssen die Schafe an Land bringen. Die Dinger sterben bald vor Angst, wenn es so sehr schaukelt.« Gemeinsam hoben sie die Tiere aus dem Boot und setzten sie an den Strand. Hier blieben die beiden aneinandergepresst stehen und sahen sich mit großen Augen und verwundertem Mähen um.
    »Passt du auf sie auf?«, fragte David, während er schnell und geschickt wieder sein Beiboot in der Brandung drehte und sich auf den Rückweg machte. Über die Schulter rief er ihr noch zu: »Ich habe übrigens nicht nur Schafe und Hühner, sondern auch einen Mann gefunden, der uns helfen kann. Er bleibt gleich während des Winters bei uns! Du wirst ihn mögen, er ist auch Engländer …«
    Der Wind riss ihm die Worte von den Lippen, und Anne konnte nichts mehr verstehen. Sie blieb mit Charlotte bei den Schafen und sah ihrem Mann kopfschüttelnd hinterher. Ein Arbeiter? Wofür?

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