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Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
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dass man vor einem Veterinärmedizin-Studium ein Berufspraktikum auf dem Land absolvieren musste. Ein Jahr lang arbeiten im Rinderoffenstall einer LPG ? Nein, dazu hatte ich keine Lust. Jetzt musste ich wählen. Auf die Sportschule gehen und im Leistungssport weitermachen? Das verwarf ich. Blieb die Schauspielerei.
    Die Regisseurin der Blauen Blitze , Gisela Schwartz-Martell, erzählte mir von der Filmhochschule in Potsdam. Dass es in unserem Nachbarbezirk Schöneweide die berühmte Schauspielschule, seit 1982 heißt sie »Ernst Busch«, gibt, wusste ich nicht, und sie erwähnte es nicht. Sie half mir aber bei der Vorbereitung aufs Vorsprechen. Die Arbeit vor der Kamera war mir seit Jahren vertraut. So oft ich Geld zusammenkratzen konnte, war ich ins Theater gegangen; was auf einer Theaterbühne passiert, wusste ich also auch.
    An einem Tag im Februar 1962 zog ich meine gute Hose an und fuhr nach Potsdam zum Vorspiel. Spielte das Lieschen und das Gretchen in der Brunnenszene des Faust , die Mira aus der Ravensbrücker Ballade , die ich an der Volksbühne mit Marianne Wünscher, Doris Abesser und Wilfried Ortmann gesehen hatte. Ich gab alles. Die Kommission dankte und schwieg. Maßlos enttäuscht fuhr ich nach Berlin zurück.
    Zwei Wochen später kam ein Brief:

    »Sehr geehrtes Fräulein Antoni!
    Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihre Prüfung ein positives Ergebnis gehabt hat. Damit haben Sie die erste Hürde genommen. Die endgültige Entscheidung, ob Sie an unserer Hochschule immatrikuliert werden, kann allerdings erst in der im April stattfindenden Aufnahmeprüfung gefällt werden.
    Wir sind der Meinung, dass Sie eine günstige Rollenauswahl getroffen haben, die Sie auch für die Aufnahmeprüfung beibehalten können. ...
    Wir wünschen Ihnen für die Aufnahmeprüfung alles Gute und grüßen Sie
    hochachtungsvoll
    Wieland
    Fachrichtungsleiter Schauspiel
    PS : Wir bitten, bei der Aufnahmeprüfung nicht in Hosen vorzusprechen, sondern einen Rock anzuziehen.«
    Natürlich hab ich mich gefreut. Was aber sollte die Bitte um einen Rock? Dachten die, ich hätte was an den Beinen?
    Ob ich jemals eitel war oder meine Eitelkeit bei dem Pensum, das ich zu absolvieren hatte – Haushalt, Schule, Sport, Fernsehen –, verloren gegangen war, ich weiß es nicht. Jedenfalls besaß ich nur einen Faltenrock und besagten Latzrock mit den breiten Trägern, beides zu mädchenhaft für den Anlass. Meine von meiner Mutter gearbeitete Ausgehgarnitur für Theater und Oper – ein schöner grauer Rock mit breiter, rot-grüner Borte am Saum, dazu ein grauer Pullover, ebenfalls rot-grün abgesetzt – ging auch nicht. In dem gestrickten Pullover hätte ich mich beim Vorspiel totgeschwitzt.
    Ich lieh mir die Pumps meiner Schwester, und sie half mir, einen giftgrünen, engen Kostümrock meiner Mutter zu kürzen. Meine Schwester und ich konnten sehr viel, doch keine von uns konnte nähen. Aber wir hatten eine probate Methode entwickelt, Gardinen, Bettlaken und auch Röcke zu kürzen: Wir bestrichen den Saum mit farblosem Latex, knickten ihn um und drückten ihn fest. Geht nie wieder auf.
    So ausgestattet, fuhr ich an einem Tag im April erneut nach Potsdam. Leider litt ich an einer Darminfektion, wovon ich das Publikum, die Dozenten und die ebenfalls im Saal sitzenden Absolventen des letzten Studienjahres, vor meinem Auftritt in Kenntnis setzte. Ich musste zweimal während des Vorspielens raus, machte aber, wenn ich zurückkam, genau an der Stelle weiter, an der ich aufgehört hatte. Ich sprang also abwechselnd als Lieschen und als Gretchen hin und her und war ziemlich sauer, dass alles schallend lachte.
    Das Thema Schauspiel konnte ich nun wohl auch vergessen.
    Und dann kam, sozusagen als Ostergeschenk, die Zusage an das »Sehr geehrte Fräulein Antoni!« ...
    »Wir gratulieren Ihnen herzlich zu Ihrer Aufnahme an unserer Hochschule für Filmkunst und hoffen, dass Sie mit vorbildlicher Disziplin studieren, um ein positives Mitglied der Theater- und Filmschaffenden unserer Republik zu werden ...«
    Ich sang und tanzte vor Glück. Meine Mutter teilte meine Freude nicht. Erst als ich versprach, den Eislauf-Sport endgültig zu streichen und auf der Abendschule das Abi zu machen, durfte ich studieren.
    Ich war mit siebzehn Jahren die Jüngste an der Filmhochschule, aber nicht nur das, die anderen waren viel weiter im Kopf und körperlich entwickelter, lauter schöne junge Frauen und Männer, frech, begabt und ein bisschen irre. Ich

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