Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)
Moritat von Mackie Messer anzukommen. Sie verfeinerten die Klinge dieses Messers, indem sie Verbitterung mit der trällernden Melodie würzten.«
Anstatt man sich zu Hause freute über diese Anerkennung von der anderen Seite des Ozeans, bekamen wir ziemlichen Ärger. Man gibt kein Interview, ohne die Pressestelle vorher um Erlaubnis zu fragen! Aber das steckten »Mr Reinecke und the feisty Miss Antoni« weg. Der Spaß, die Freude an der Arbeit überwogen hundertfach die Wut über die Strafpredigt.
Pits Urne kam in das Grab seiner Mutter. Er hatte nichts hinterlassen, und das Geld, das unser Ensemble für seine Beerdigung sammelte, reichte nicht für ein eigenes Grab. Der Platz auf dem berühmten Dorotheenstädtischen Friedhof ist begrenzt und teuer – wie die Miete für eine Wohnung in bester Lage.
Pit hat mir einmal erzählt, dass er nur vierzehn Tage lang ein Christ gewesen sei, nämlich als seine Mutter ihn zum Konfirmandenunterricht schickte. Kurz vor der Konfirmation habe er sich für die Jugendweihe entschieden. Falls diese vierzehn Tage für den Zutritt in den Himmel nicht genügt haben, Pit, deinen Platz im Theaterhimmel kann dir niemand streitig machen!
Unterrichten und inszenieren
Es begann ziemlich früh, ich war gerade fünfundzwanzig Jahre alt und engagiert am Hans-Otto-Theater Potsdam, da kam die erste Anfrage auf Empfehlung von Peter Kupke: »Kann die Antoni Schauspiel-Unterricht?« Sie wollte und konnte, und das, wie sich schon nach kurzer Zeit herausstellte, mit einem Heidenspaß. Schauspiel zu unterrichten ist eine spezielle Art der Pädagogik; ich empfand es wie Gehirnjogging, denn ich konnte weitergeben, was ich in eigenen Proben fühlte und dachte. Ich unterrichtete viele Jahre lang an der Potsdamer Filmhochschule »Konrad Wolf«, später auch an der Berliner Schauspielschule »Ernst Busch«.
Ich ging im positiven Sinne mit großer Naivität an diese Arbeit, legte Wert auf genaues Beobachten, auf Kraft und Vitalität, Disziplin und Dynamik, auf das Engagement der Studenten für diesen Beruf. Es gibt kein Rezept für Erfolg, mir war wichtig, dass die Studentinnen und Studenten besessen sind von ihrem Beruf. Natürlich fühlte ich mich häufig erschöpft, denn die können einen ganz schön abkochen. Und oft genug unterrichtete ich vormittags und stand abends auf der Bühne. Doch mein Konzept ging auf beglückende Weise auf. Nur sehr selten erreichte ich die Studenten nicht. Spürte ich Kälte oder Arroganz, wurde ich pädagogisch, das heißt, ich verlangte Leistung ohne jegliche Diskussion. Es gab Gruppen, die waren wie ein solider Tischwein. Die meisten Studienjahre aber empfand ich wie einen sehr edlen Jahrgang. Ich mochte ihre zaghaften Versuche, eine eigene Persönlichkeit zu finden, ihre unverschämten darstellerischen Angebote, ihre Leichtfertigkeiten, ihre Frechheiten, ihr Feuer und auch ihre Faulheit. Ich war neugierig auf die jungen Leute, auf ihr Denken und auf ihr Spiel, und meine Art der Kritik, meine Sprache traf ihren Nerv: »Du spielst wie Oma Puschke! ... Willst du uns noch länger langweilen, deine Kommilitonen schlafen gerade!« Wir lachten und machten und malochten, wie es eben am Theater üblich ist.
Ich spürte all die Jahre die Sympathie der Studenten. So viele habe ich begleitet in ihrer Arbeit, so viele schreiben mir noch heute gelegentlich, so viele erlebe ich bei der Arbeit, weil sie inzwischen Kollegen geworden sind. Diese Kontakte sind wertvoll, weil sie meine Gedankengänge frisch halten. Ich glaube, für etliche war ich ein Stein auf dem Weg zum Schauspieler, für andere vielleicht ein Meilenstein auf diesem steilen Pfad.
Schauspieler, die wie ich unterrichteten, nannte man die Außerirdischen. Dennoch passten wir gut zu den Professoren und Mentoren der festen Crew, sorgten mit unseren Erfahrungen aus der Praxis für bestes Einvernehmen und qualitativen Streit und Lockerheit.
Als Gastprofessorin an der Potsdamer Filmhochschule richtete ich vier Studioinszenierungen aus, davon gastierten zwei mit großem Erfolg am Berliner Ensemble: Mutter Courage und Baal . Für die Studierenden war es die Startrampe für ein Vorsprechen, einige andere bekamen danach sogar ein Engagement.
Ein Bühnenbild-Student schuf den Raum, ein älterer arbeitsloser Bühnenbildner die Ausstattung, dabei lernte einer vom anderen, auch das war gut. Es gab viel zu organisieren, und ohne den Ensemblegeist, die Begeisterung und die Kreativität der Studenten hätte das nicht geklappt, denn
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