Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Im Leben gibt es keine Proben (German Edition)

Titel: Im Leben gibt es keine Proben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Biermann
Vom Netzwerk:
auch an der Filmhochschule stand auf der Werteskala Sparen höher als Kunst. Raummangel, Zeitnot, keine Rückkopplung durch den zuständigen Dozenten, keine kritischen Gespräche über die Entwicklungsphasen der Studierenden – schwere Arbeit.
    In einer Studioinszenierung, Schlachten , spielte meine Tochter mit. Ich hatte versucht zu verhindern, dass wir uns in der Arbeit begegnen, ihretwegen. Da sie nun mal besetzt war, hätte mir das nichts ausgemacht, ich konnte sie behandeln wie jede andere Studentin, obwohl ich eine Präsenz und eine Zartheit in dieser Kindfrau sah, die so einzigartig ist. Doch ich hatte nicht mit dem Neid ihrer Kommilitonen und mit den Berührungsängsten eines Dozenten gerechnet. Jenny sang ein Lied vom Nazi-Soldaten, und eine ihrer Kommilitoninnen zickte, dieses Lied gehöre nicht ins Programm, eine andere forderte, sie wolle dieses Lied schon lange singen, es passe viel besser zu ihr.
    Ich verhielt mich meiner Tochter gegenüber kritisch und streng, weil mir immer wichtig war, Arbeit und Privates zu trennen. Wer das vermischt, wird Hofschauspieler, spielt immer, auch im Leben. Aber sie sang dieses Lied sehr gut, also bestand ich darauf, dass sie es singt. Meine Tochter konnte diese Querelen nur schwer aushalten.
    Ich glaube, das war so ein Tischwein-Jahrgang, es sind nur noch wenige von ihnen in dem Beruf. Für Jenny hat es mir leidgetan, aber sie hat kämpfen gelernt.
    Und sie ist ihren Weg immer allein gegangen.
    Schon als Kind wurde sie das eine oder andere Mal von Filmleuten ausgesucht, aber mein Mann und ich haben es abgelehnt, sie filmen zu lassen. Sie sollte unbeschwert Kind sein. Nur einmal, da war sie acht, hat sie – mit Zahnlücke – einen Text gesprochen. Als ich im BE Jacke wie Hose spielte, wollte Peter Konwitschny, dass eine naive Mädchenstimme den Text meiner elenden Kindheit spricht: »Ich setzte der toten Mutter die Haube auf, und alle nannten mich ein liebes Kind, und niemand ahnte, welches Grauen in mir war im Angesicht des Todes ...«Jennys Monolog wurde auf Band aufgenommen und in den Vorstellungen abgespielt.
    Als sie fünfzehn war, bewarb sie sich erfolgreich für eine Rolle in Unser Lehrer Dr. Specht , kurz danach spielte sie bei Frank Beyer in Deutsches Haus . Wir haben uns nicht eingemischt, mein Mann sagte, lass sie wählen, es heißt schließlich Berufswahl. Nach dem Abi begann sie an der Humboldt-Universität Japanologie und Russisch zu studieren, darauf waren wir sehr stolz.
    Aber dann kam ein Angebot, das sie nicht ausschlagen wollte: 1999 spielte sie in dem Film Natascha eine junge Polin, die nur gebrochen Deutsch sprach. Martin Benrath lobte sie, riet ihr, Schauspiel zu studieren und alles andere an den Nagel zu hängen. Sie hörte auf ihn, ging an die Filmhochschule Potsdam, wo ich vierzig Jahre zuvor studiert hatte.
    Ihr Papa und auch Martin Benrath haben nicht mehr erlebt, dass sie nach dem Studium am Potsdamer Hans-Otto-Theater engagiert wurde, ebenso wie ihre Mama viele Jahre zuvor. All das schaffte sie allein, ohne meine Hilfe.
    Uwe-Eric Laufenberg besetzte uns beide 2007 in seinem Stück für Anna Politkowskaja Putin hat Geburtstag – Mutter und Tochter auf der Bühne des Hans-Otto-Theaters und im Leben. Das hat gut funktioniert.
    Danach beschlossen wir, zusammen zu arbeiten, wenn es sich ergibt. Wir haben das gleiche Grundverständnis fürs Spielen, Bevormundung lehnen wir beide ab, wir denken schnell. Wenn wir vor Publikum lesen, können wir Spontanes zulassen.
    Inzwischen haben wir zusammen Filme gedreht, Hörspiele gesprochen, ein Brecht-Programm erarbeitet. Dabei blieb jeder von uns der Freiraum, den wir brauchen.
    Jenny war, wie so viele Kinder von Schauspielern, mit der Disziplin des Berufes von Kindheit an vertraut, sie hat meinen Ernst aufgenommen und auch meine Freude am Spiel.
    Auch mein Sohn, der lieber still vor sich hindenkt und technische Perfektion liebt, arbeitete schon mit mir zusammen. Das war ebenso fantastisch. Ich war zu einem Workshop über Brecht an der Academy of Acting in Toronto eingeladen und durfte eine Begleitperson mitbringen. Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene aus Kanada, den USA und vielen anderen Ländern studieren dort. Hauptfächer sind Dramaturgie und Theaterwissenschaft, dazu Schauspiel und Regie. Man kann sogar an der Academy promovieren, auch ein Seiteneinstieg ist möglich. Junge Leute vom Cirque du soleil besuchen zum Beispiel einen Schauspielkurs.
    Eigentlich wollte Jacob, mein Sohn, Kameramann

Weitere Kostenlose Bücher