Im Licht der roten Erde
»Entschuldige bitte, mein Freund, aber deine Dumbi-Geschichte hat mehr Eindruck auf uns gemacht, als du vielleicht vermutet hast. Ich habe das Gefühl, Dumbi hat eine Diskussion angeregt, die sich noch eine Zeitlang fortsetzen wird. Dein Volk akzeptiert wie selbstverständlich die Stellung der Eltern, in unserer Kultur dagegen streiten wir immer noch darüber.«
»Ja«, bestätigte Ardjani lächelnd. »Uns ist aufgefallen, dass die Weißen Diskussionen lieben.« Er deutete auf Digger, der die Lektion in Sachen Felsmalerei weiterführen sollte. Als Künstler, der er war, sprach er gern über die traditionelle Kunst.
Beth gab Ardjani und Alan ein Zeichen, und sie traten unter dem schattigen Felsdach hervor und setzten sich auf einen Felsbrocken unter einem dürren Baum.
»Ardjani, erinnerst du dich, dass ich dir von dem Aborigine-Baby erzählt habe, das man in der Kunstgalerie in Melbourne ausgesetzt hat? Die Mutter ist ermordet worden.«
»Ja. Hast du noch etwas von der Kleinen gehört?«
»Joyce Guwarri von der Fürsorge kümmert sich nach wie vor um sie. Sie hat vor ein paar Tagen per Funktelefon angerufen und mir berichtet, was für ein wundervolles Mädchen sie ist, sie lächelt viel und gluckst schon ganz fröhlich. Ich vermute, sie wächst Joyce sehr ans Herz. Offenbar haben sie kein Glück bei der Suche nach dem Vater gehabt, und es sieht nicht danach aus, als wollten die Eltern des ermordeten Mädchens etwas mit ihrer Enkelin zu tun haben. Sie scheinen religiöse Fanatiker zu sein und gehören irgendeiner Kirche an, die jungen Mädchen Kontakte zum anderen Geschlecht außerhalb der Gemeinde untersagt. Das Mädchen, Lisa, ist davongelaufen. Die Eltern haben zudem klargestellt, dass ihre sogenannte Religion keine Rassenvermischung duldet.«
Ardjani verdrehte die Augen. »Das Baby ist besser dran, wenn es nicht zu diesen verrückten Leuten kommt.«
»Ich bin überzeugt, dass die Dumbi-Malerei der Eule auf dem Babytuch entspricht«, sagte Alan. »Jemand muss Lisa von Dumbi erzählt haben, und aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Vater ein Aborigine.«
Ardjani schob seinen Hut nach vorn und kratzte sich im Nacken. »Dumbi ist eine Barradja-Geschichte. Das Baby gehört zu seiner Barradja-Familie. Wir müssen nur den Vater finden, hm?« Er lächelte zuversichtlich. »Ich denke, das ist ein ganz besonderes Baby, es wird seinen Weg nach Hause finden. Ihr werdet schon sehen.«
Beth gab sich damit zufrieden. Ardjani drehte sich um und wies auf das Felsdach. »Die Geister freuen sich, dass ihr uns zu ihnen gebracht habt. Vielleicht überbringen sie uns gute Neuigkeiten, hm?«
»Ich wünschte, sie könnten uns helfen, den Vater des Babys zu finden«, sagte Beth.
»Warum sollte der Vater die Mutter seines Kindes verlassen?«
Beth seufzte. »Nun, wenn wir das wüssten, hätten wir ein paar mehr Antworten.«
Ardjani blickte zurück unter das Felsdach, wo Digger ihren Besuchern nach wie vor die Malereien erklärte. Draußen, ein gutes Stück vom Eingang entfernt, waren Rusty und Barwon ins Gespräch vertieft.
»Schätze, Barwon lernt gerade viel übers Jagen. Für unsere Felsmalereien scheint er sich ja nicht besonders zu interessieren. Was denkst du, Beth?«
»Ich denke, er ist sehr traurig, Ardjani, er wirkt so verloren, so verwirrt. Langsam habe ich den Eindruck, er empfindet seine Suche als hoffnungslos. Er hat sich verändert, seit er hier ist, und er will nicht mit mir darüber reden. Hast du bemerkt, wie still er ist? Das passt gar nicht zu ihm.«
»Er muss mehr Gefühl für das Land bekommen. Ich werde Digger und Rusty bitten, ihm ein wenig das Barradja-Gebiet zu zeigen.«
»Er ist es wert, dass man ihm hilft. Genau wie das Baby.«
Ardjani kratzte sich am Ohr. »Geschäftige Zeit für uns beide, hm?«
»Bedeutsame Zeit«, bekräftigte Beth.
»Allerdings!«
Rusty hatte begonnen, auf den schmalen Vorsprüngen einer angrenzenden Höhle herumzustöbern, und er rief Ardjani in seiner Sprache etwas zu. Ardjani und Digger eilten zu ihm, und alle drei kauerten sich auf den Vorsprung, auf den Rusty geklettert war.
Schließlich richtete Ardjani sich auf, in der ausgestreckten Hand hielt er einen Schädel. Er war braun gefleckt und mit leuchtend roten Streifen überzogen.
Veronica schreckte zurück und fasste Susans Hand. »Mein Gott. Wie gruselig!«
»Dieser alte Mann, seine Knochen sind verschwunden. Bei einem anderen fehlt der Schädel. Das ist schlimm, sehr schlimm.«
»Schlimm für den Toten
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