Im Licht der roten Erde
Verheißung auf ein Mittagessen!«
Sie gab ihm in gespieltem Tadel einen Klaps auf die Hand. »Das kommt auf die Qualität des Mittagessens an.«
In dem altmodischen, festlichen Speisesaal stellte Andrew Susan mehreren kräftig gebauten Rinderzüchtern vor. Susan lächelte insgeheim, als sie an die Hundeparade denken musste, auf der die Besitzer tatsächlich ihren reinrassigen Vierbeinern zu ähneln schienen. Diese Männer sahen aus wie ihr Vieh – starke Muskeln, breite Schultern und dicke Wangen, rötliche Gesichtsfarbe, unergründliche Augen, tiefe Stimmen, große Füße. Andrew warf ihr einen fragenden Blick zu, als sich die Männer über die Show austauschten – wessen Bulle gewonnen hatte, welcher Züchter wo ausstellte, wer bei verschiedenen Wettbewerben den Titel des Grand Champion gewonnen hatte, was mit bestimmten Personen oder Stationen seit der letzten Landwirtschaftsausstellung passiert war.
»Haben Sie alles verstanden?«, flüsterte er, als sie sich entfernten.
»Nicht wirklich. Das ist eine andere Welt für mich.«
»Ich habe nie einen Gerichtssaal betreten, dann geht es uns also gleich.«
»Was Sie hoffentlich auch nie tun müssen. Wohingegen ich mir sehr gern einmal eine Station wie die Ihre anschauen würde.«
»Wie ich schon sagte: Meine Einladung nach Yandoo steht. Doch sicher kennen Sie Leute mit Ländereien, die näher an Sydney liegen. Ich lebe auf der anderen Seite des Landes.«
»Ich möchte die Kimberley wirklich sehen. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich richtig neugierig darauf. Ich habe einen Klienten, der von dort drüben stammt – und ich bin einer interessanten Frau begegnet, die ebenfalls dorther kommt. Meinen Sie, dass mir das etwas sagen soll?«
»Keine Ahnung. Wer ist Ihr Klient aus dem Westen, vielleicht kenne ich ihn?«
Sie zögerte, bevor sie antwortete, und fragte sich, ob sie die Identität ihres neuen Klienten preisgeben sollte. »Er ist ein Aborigine. Nigel Barwon. Auf Einzelheiten darf ich nicht eingehen.«
»Ein Aborigine«, wiederholte Andrew überrascht. »Ich dachte, Ihre Kanzlei wäre eines von diesen vornehmen alten Familienunternehmen, die sich nicht unbedingt auf Fälle mit Prozesskostenhilfe einlassen.«
»Dieser Mann bestreitet die Kosten mit seinem eigenen Geld«, erwiderte sie gereizt.
Andrew hörte die Verärgerung in ihrer Stimme und dachte an ihre hitzige Auseinandersetzung bei Veronicas Dinner. Er hatte gehofft, Susan verträte nicht die bornierte Einstellung der Städter, dass alle Aborigines weise Geschichtenerzähler seien, die man ungerechterweise von ihrem Land vertrieben hatte.
Jetzt wünschte Susan sich, sie hätte den Mund gehalten. Sie sah eine Rassendebatte heraufziehen – schwelender Zündstoff von der Dinnerparty. »Lassen Sie uns nicht den Tag verderben.«
Er sah ihren angespannten Gesichtsausdruck und beschloss, dass auch er nicht mit ihr streiten wollte.
Abgesehen von dem Hickhack um ihre unterschiedlichen Ansichten, war der Tag ein Juwel. Sie fuhren lachend Karussell und spornten die Holzhacker an – Männer in schweißfleckigen ärmellosen Hemden, die auf einem Brett balancierten und binnen Sekunden einen Holzblock spalteten. Muskeln spannten sich, die feingeschliffenen Äxte blitzten, Holzschnitzel flogen.
Als bei der Hauptviehauktion die Zuchtbullen durch den Ring geführt wurden, stupste Andrew sie an. »Sehen Sie den großen Brahman-Bullen … Für den und für den Droughtmaster dort drüben werde ich bieten. Also kratzen Sie sich nicht am Ohr und treiben damit den Preis in die Höhe.«
Susan war erstaunt über den fast unverständlichen Singsang des Auktionators und die Geschwindigkeit der Gebote. Gerissene alte Hasen, träge in sich zusammengesunken, scheinbar desinteressiert, bis sie ein zusammengerolltes Programm ein Stück weit hoben oder an ihren Hut tippten, um in letzter Minute zu bieten. Susan fühlte, wie ihr vor Anspannung der Magen zwickte. Andrew stand mit verschränkten Armen da und wirkte völlig gelassen. Als er sein erstes Gebot für den Bullen seiner Wahl abgab, mischte sich freudige Erregung mit Anspannung, und sie packte seinen Ellbogen. Er erhielt den Zuschlag, und sie gab ihm einen impulsiven Kuss auf die Wange. Dann bot er weiter, ersteigerte auch den Droughtmaster und wirkte zufrieden, wenngleich er sagte, er habe seine eigentliche Preisvorstellung etwas überschritten. »Sie werden den Viehbestand beträchtlich verbessern, indem sie unser künstliches Besamungsprogramm am Laufen
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