Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
ich doch tatsächlich Zacks Boot versenkt«, fügte sie mit einem matten Lächeln hinzu. »Es war zwar zum Glück niemand an Bord, aber es hätte ja durchaus so sein können. Zack hätte in dem Boot sein können, und ich hätte das alles nicht mehr aufhalten können. Keinerlei Kontrolle, nur Wut.«
Er legte eine Hand auf ihr Bein und rieb es beruhigend. »Wie alt warst du da?«
»Noch nicht ganz zwanzig. Aber das spielt keine Rolle«, sagte sie grimmig. »Du weißt, dass das nicht von Bedeutung ist. ›Und du sollst niemandem Schaden zufügen.‹ Das ist ein ehernes Gesetz, aber ich konnte mir nicht mehr sicher sein, ob ich dieses Versprechen auch wirklich halten könnte. Gott, keine zwanzig Minuten, bevor das passierte, war er noch in dem Boot gewesen! Ich hatte überhaupt nicht an ihn gedacht, hatte mir weder um ihn noch um sonst irgendjemanden Gedanken gemacht. Ich war einfach nur außer mir vor Wut.«
»Und deshalb hast du deiner Gabe entsagt und dich von deiner Freundin abgewandt.«
»Ich musste das tun. In solchen Angelegenheiten steht man nie nur als Einzelperson da. Diese Dinge sind untereinander zu stark miteinander verwoben. Sie hätte mich auch nie verstanden oder es akzeptiert – und, verdammt noch mal, sie hätte nie aufgehört, auf mir herumzuhacken. Außerdem war ich ziemlich angepisst von ihr, weil …«
Ripley wischte sich rasch eine Träne weg und sprach laut aus, was sie bisher noch nicht einmal sich selbst eingestanden hatte. »Ich fühlte ihren Schmerz, als ob es mein eigener wäre, ich konnte ihn körperlich spüren. Ihr Leid. Ihre Verzweiflung. Ihre verzweifelte Liebe zu Sam. Und ich konnte das nicht ertragen. Wir standen uns einfach zu nahe, und ich konnte nicht mehr atmen.«
»Es war für dich genauso schwer zu ertragen wie für sie. Vielleicht sogar noch schwerer.«
»Ja.« Sie stieß einen langen, zittrigen Seufzer aus. »Ich habe noch nie irgendjemandem davon erzählt. Und es wäre mir lieb, wenn das unter uns bleiben könnte.«
Mac nickte und streifte mit seinen warmen Lippen leicht über ihre. »Früher oder später wirst du es Mia aber erzählen müssen.«
»Dann lieber später.« Ripley schniefte, rieb sich mehrmals energisch übers Gesicht. »Lass uns weitermachen, in Ordnung? Du hast doch deine Aufzeichnungen, dein Band«, sagte sie und wies mit einer Kopfbewegung auf seine Geräte. »Ich hätte übrigens nie gedacht, dass du mich hypnotisieren könntest. Ich unterschätze dich wohl immer noch. Es war entspannend, sogar richtig angenehm.« Sie strich ihr volles Haar zurück. »Und dann …«
»Was ist dann passiert?«, hakte Mac nach. Er brauchte nicht auf die Anzeigen seiner Messgeräte zu sehen, um zu wissen, dass ihr Herzschlag und ihre Atemfrequenz sich wieder auf einen hohen Wert zubewegten.
»Dann war es, als ob irgendetwas versuchen würde, die Kontrolle zu übernehmen. Sich einzuklinken. Irgendetwas Lauerndes, Bedrohliches. Himmel, das hört sich jetzt wirklich dramatisch an.« Und obwohl sie über sich selbst lachen musste, zog sie schützend die Knie hoch. »Nicht sie. Es war nicht sie. Es war etwas … anderes.«
»Es hat dich verletzt.«
»Nein, aber es wollte mich verletzen. Dann bin ich unter Wasser gesunken, und sie war die Wasseroberfläche. Auf eine andere Art kann ich es nicht beschreiben.«
»Du hast das schon sehr gut beschrieben.«
»Ich weiß nicht, was daran gut sein soll. Ich konnte es einfach nicht mehr kontrollieren. Genauso wie ich das, was mit Zacks Boot passierte, nicht mehr kontrollieren konnte. Genauso, wie ich plötzlich nicht mehr kontrollieren konnte, was ich heute Abend mit den Lichtern gemacht habe. Und obwohl sie, die andere, in meinem Innern war, oder zumindest ein Teil von ihr schien es, als ob sogar sie es nicht mehr lenken könnte. Als ob uns die Macht entglitten wäre«, murmelte sie und spürte, wie es sie bei der Erinnerung daran eiskalt überlief. »Ich möchte das nie mehr tun müssen.«
»Okay, wir hören jetzt auf.« Mac ergriff ihre Hände und drückte sie beruhigend, bis sie ihm wieder in die Augen blickte. »Ich werde das alles wegräumen.«
Obwohl sie nickte, wusste sie, dass er sie nicht verstand. Und sie wollte das Erlebte so schnell wie möglich vergessen, wollte mit alledem nichts mehr zu tun haben. Doch sie hatte Angst, große Angst, dass ihr die kommenden Ereignisse keine Wahl lassen würden.
Irgendetwas kommt, ist bereits auf dem Weg hierher, dachte sie. Und es kommt meinetwegen.
Mac deckte Ripley
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