Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
wie ein Baby zu, und sie ließ es einfach geschehen. Als er sie in der Dunkelheit liebevoll an sich zog, tat sie so, als schliefe sie bereits. Er streichelte ihr Haar, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Wenn ich doch nur normal wäre, wenn ich eine ganz gewöhnliche Frau wäre, dann könnte mein Leben immer so sein, dachte sie voller Bitterkeit. Dann könnte sie sich einfach von dem Mann, den sie liebte, in der Dunkelheit umarmen lassen.
Eine ganz simple Sache. Dann wäre alles einfach und problemlos.
Wenn sie Mac niemals kennen gelernt hätte, dann wäre sie zufrieden damit gewesen, einfach so weiterzuleben, wie sie eben war. Wäre zufrieden damit gewesen, sich dann und wann mit einem Mann zu amüsieren, wenn er ihre Neugier und ihr Interesse reizen konnte. Ob sie ihre Kräfte dann noch einmal erweckt hätte oder nicht, das wusste sie nicht. Aber ihr Herz hätte auf jeden Fall noch ihr gehört.
Denn sobald man sein Herz verschenkte, riskierte man mehr, als nur sich selbst zu verlieren. Man riskierte auch, denjenigen zu verlieren, der dieses Herz nun besaß.
Wie konnte sie nur?
Ermattet von ihren quälenden Sorgen, schloss sie die Augen, atmete Macs Duft ein und überließ sich dem Schlaf.
Der Sturm war zurückgekehrt, und er war kalt und heftig. Er schlug wie mit eisigen Peitschenhieben auf den Strand ein. Wühlte das Meer zu einem rasenden Wirbel aus Zorn und ohrenbetäubendem Lärm auf. Blitze schossen über den Himmel und zerschlugen ihn wie Glas.
Schwarzer Regen ergoss sich in Strömen aus den Sprüngen und Rissen am Firmament, um von dem tückischen Wind wie Stacheln aus Eis in alle Richtungen gewirbelt zu werden.
Es war ein wilder, zügelloser Sturm. Doch sie beherrschte ihn.
Kraft durchströmte sie, pumpte mit herrlicher, elektrisierender Stärke durch ihre Muskeln und ihre Knochen. Hier war eine Energie am Werke, die alles, was sie je zuvor gefühlt hatte, alles, was sie überhaupt jemals für möglich gehalten hätte, weit übertraf.
Und mit dieser Kraft in ihren Fingerspitzen würde sie Rache nehmen.
Nein, nein, nicht Rache. Sie wollte Gerechtigkeit. Es war nicht Rachsucht, die sie dazu trieb, diejenigen zu bestrafen, die unrecht getan hatten. Es war das Verlangen nach Gerechtigkeit, und es galt, dieser Gerechtigkeit mit kühlem, klarem Kopf Geltung zu verschaffen.
Aber ihr Kopf war eben nicht klar. Selbst in ihrer wirren Gier nach Vergeltung war ihr das noch bewusst. Und sie fürchtete sich davor.
Sie war im Begriff, sich selbst zu verdammen.
Sie blickte auf den Mann hinab, der zu ihren Füßen kauerte.
Was waren diese Kräfte denn wert, wenn man sie nicht dazu benutzen konnte, um Unrecht wieder gutzumachen, um das Böse aufzuhalten, um die Niederträchtigen zu bestrafen?
»Wenn du das tust, dann endet alles in Gewalt. In Hoffnungslosigkeit.«
Ihre Schwestern standen in dem Kreis aus Licht, und sie stand draußen. Und sie sah den Schmerz in den Augen ihrer Schwestern.
»Ich habe das Recht dazu!«
»Niemand hat das Recht dazu. Wenn du das tust, dann reißt du deiner Gabe das Herz heraus. Die Seele dessen, was du bist.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie war schon so gut wie verloren. »Ich kann es nicht mehr aufhalten.«
»Doch, du kannst es. Nur du kannst es. Komm, stell dich auf unsere Seite. Denn er ist es, der dich vernichten wird.«
Sie blickte hinab und sah, wie sich das Gesicht des Mannes veränderte, wie seine Züge ineinander verschwammen und sich sein Ausdruck von panischer Angst in Schadenfreude, dann in Flehen und schließlich in Hunger verwandelte.
»Nein. Er endet hier.«
Sie riss eine Hand hoch. Blitze explodierten und schossen
hinab in ihre Fingerspitzen. Und formten sich zu einem silbernen Schwert. »Mit dem, was mein ist, nehme ich dein Leben. Um die Zwietracht zu beenden und das Unrecht zu beheben. Mein Zorn wird befreit um der Gerechtigkeit willen, um dem Pfad der Vorherbestimmung zu dienen. Von diesem Ort aus und von dieser Stunde an …«, von dunkler Erregung gepackt, hob sie das Schwert, als der Mann zu ihren Füßen aufschrie, »… koste ich den Saft der reifen Frucht der Macht. Blut um Blut verlange ich nun. So wie ich will, so sollst du es tun.«
Mit einem einzigen gewaltigen Hieb ließ sie das Schwert niedersausen. Er lächelte kalt, als die Schwertklinge durch sein Fleisch schnitt. Und verschwand.
Die Nacht brüllte und die Erde bebte. Und durch den Sturm kam derjenige herbeigerannt, den sie liebte.
»Zurück!«, schrie sie.
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