Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
zarten Gardinen zurück. Und stand dann wie gebannt da.
Der Ausblick war atemberaubend. Er sah den zerklüfteten Felsgrund, wo sich die Burgruine erhob, und die winzigen Glimmersplitter im Gestein, die im Sonnenlicht hell auffunkelten. Der Felsgrund neigte sich zur Schotterstraße hinunter, und jenseits der Straße wogte ein grünes Feld am anderen, abgeteilt durch Steinmauern, gesprenkelt mit Kühen und Schafen. In Tälern und auf Anhöhen schmiegten sich Häuser, bunte Wäsche flatterte fröhlich an Leinen. Bäume wanden sich empor, gebeugt durch ihren jahrelangen Widerstand gegen den steten Wind und strahlend grün im Frühlingskleid.
In der Ferne entdeckte er einen Jungen, der mit seinem blauen Fahrrad an einer der schmalen Straßenrinnen entlangfuhr, begleitet von einem schwarz-weiß getupften Hund, der neben ihm durch das Gestrüpp rannte.
Auf dem Weg nach Hause, dachte Cal. Zum Mittagessen. Ma sieht es nicht gern, wenn du unpünktlich bist.
Er merkte, wie er lächelte, und öffnete, ohne nachzudenken, das Fenster, um die kühle, feuchte Luft hereinzulassen.
Das Licht. Es ließ das Künstlerherz höher schlagen. Niemand hätte ihm das Licht von Irland beschreiben können. Man musste es sehen, erleben. Wie eine edle Perle, dachte er, deren Glanz die Luft erschimmern lässt, sie leuchtend und seidig macht. Die Sonne, die durch die Wolkenschichten gefiltert wurde, verfügte über eine Sanftheit, eine Majestät, wie er es noch nirgendwo sonst gesehen hatte.
Das musste er mit der Kamera einfangen. Jetzt. Sofort. Solch ein Zauber konnte nicht andauern. Er stürzte aus dem Zimmer, rannte die wenigen Treppen hinunter und stürmte,
die Katze dicht auf den Fersen, in das herrliche Sonnenlicht hinaus.
Vom Beifahrersitz des Wagens schnappte er sich die Nikon, wechselte mit geübtem Griff die Objektive. Schwang dann die Kameratasche über die Schulter und wählte seinen Standort.
Das Hexenhäuschen, dachte er, der Überfluss an Blumen. Das Licht. Oh, dieses Licht. Er stellte die Blende ein, berechnete die Entfernung, stellte sie neu ein.
Drei
Bryna trat durch das gewölbte Tor der Ruine und beobachtete ihn. Solch eine Energie. Solch eine Konzentration. Sie lächelte. Er war glücklich bei seiner Arbeit, in seiner Kunst. Er brauchte diese Zeit, dachte sie, genauso wie er die Stunden tiefen, traumlosen Schlafs gebraucht hatte.
Bald würde er ihr wieder Fragen stellen, und sie würde darauf antworten müssen. Um ihn nicht zu stören, ging sie wieder in den Burghof zurück und wanderte zum Mittelpunkt der Burg, wo üppig blühende Blumen in einem Kreis aus der Erde wuchsen. Das Gesicht zum Licht erhoben, die Arme zum Himmel, stimmte sie ihren Gesang an.
Energie kribbelte in ihren Fingerspitzen, doch sie war schwach. So schwach, dass sie vor Enttäuschung fast geweint hätte. Einstmals hatte sie die volle Macht dieser Energie gekannt; jetzt kannte sie nur den Schmerz ihres Schwindens.
Es war bestimmt, dies weiß ich. Aber hier, an diesem Ort, wo Blumen blühen, rufe ich den Wind, rufe ich die Sonne. Was geschehen ist, kann ungeschehen gemacht werden. Kein Schaden soll ihm durch mich widerfahren. Wie ich will, so sei es.
Der Wind kam herbei, strich mit sanften Fingern durch ihr Haar. Die Sonne neigte sich warm auf ihr nach oben gewandtes Gesicht.
Ich rufe die Elfen, ich rufe die Weise. Setzt all eure Macht ein. Hört mich sprechen, auch wenn meine Zauberkräfte schwach sind. Zieht den Bannkreis um meine einzige wahre Liebe, beschützt ihn von unten, beschützt ihn von oben. Niemandem zum Schaden, mein Gelübde ist rein.Wie ich will, so sei es.
Die Macht schimmerte heller, wärmer. Sie kämpfte darum, sie zu halten, dieses Geschenk ganz in sich aufzunehmen. Kraftvoll stieß sie eine Hand nach oben, und der Silberring, den sie trug, erstrahlte in einer Explosion aus Licht, als ein einzelner schmaler Sonnenstrahl durch die Wolkendecke hindurchschoss und den Ring traf. Die Hitze strömte durch ihren Arm, so dass sie abermals fast geweint hätte. Diesmal vor Dankbarkeit.
Die Macht hatte sie noch nicht verlassen.
Cal drückte wieder und wieder auf den Auslöser. Er knipste fast ein Dutzend Bilder von ihr. Reglos wie eine Statue stand sie inmitten eines vollkommenen Kreises aus Blumen. Einer seltsamen Laune folgend, blies ihr der Wind das Haar aus dem glühenden Gesicht und die Sonne warf einen perfekten diagonalen Lichtstrahl auf sie.
Sie war wunderschön, unirdisch schön. Obwohl sein Herzschlag ins Stocken geriet,
Weitere Kostenlose Bücher