Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
als ihre Finger in gleißendem Licht aufzuflammen schienen, umrundete er sie weiter und bannte sie auf seinen Film.
Dann begann sie sich zu bewegen. Es war nur ein leichtes Wiegen ihres Körpers, rhythmisch und sinnlich. Der Wind bauschte ihr dünnes Kleid auf und blies es dann wieder an ihren schlanken, wohlgeformten Körper zurück. Die Sprache, in der sie nun redete, war ihm aus seinen Träumen bekannt. Mit zitternder Hand senkte Cal die Kamera. Es
war schon verstörend genug, dass er diese altertümliche Sprache auf irgendeine, ihm unerklärliche Weise verstand. Aber darüber hinaus konnte er auch jenseits der Worte ihre Gedanken lesen, so deutlich, als wären sie auf ein Blatt Papier geschrieben.
Gebt Schutz. Gebt Abwehr. Die Schlacht ist nah. Helft mir. Helft ihm.
In ihren Gedanken lag Verzweiflung. Und Angst. Die Angst löste in ihm das Bedürfnis aus, sie in den Arm zu nehmen, sie zu trösten, sie zu beschützen. Er machte einen Schritt nach vorn, in den Kreis.
Im selben Moment ging ein Ruck durch ihren Körper. Ihre Augen öffneten sich, fixierten ihn. Noch ehe er sie berühren konnte, hob sie rasch eine Hand. »Nicht hier.« Ihre Stimme war rau und belegt. »Nicht jetzt. Das muss bis zum vollen Mond warten.«
Blumen strichen über ihre Knie, als sie aus dem Kreis heraustrat. Der Wind, der durch ihr Haar gefegt war, hatte sich gelegt.
»Hast du gut geschlafen?«, fragte sie ihn.
»Was, zum Teufel, geht hier vor?« Er verengte die Augen. »Und was, zum Teufel, hast du mir in den Tee gemixt?«
»Einen Schuss irischen Whiskey. Sonst nichts.« Lächelnd blickte sie auf seine Kamera. »Du hast gearbeitet. Ich habe mich gefragt, was du hier wohl sehen und sichtbar machen würdest.«
»Warum hast du mich ausgezogen?«
»Deine Kleider waren nass.« Sie blinzelte verdutzt, als sie seine Gedanken in seinen Augen las. Dann lachte sie, tief und lang, mit einem satten weiblichen Timbre, das sein Blut in Wallung brachte. »O Cal, du hast einen sehr anziehenden
Körper. Ich will nicht leugnen, dass ich hingesehen habe. Aber wenn es zu jenen Handlungen kommt, an die du gerade denkst, ist es mir doch lieber, wenn ein Mann wach ist und aktiv teilnimmt.«
Er unterdrückte seinen Zorn, neigte lediglich den Kopf zur Seite. »Würdest du es denn so komisch finden, wenn du nackt in einem fremden Bett erwachst, nachdem du mit einem fremden Mann Tee getrunken hast?«
Sie schürzte die Lippen und atmete tief aus. »Ich verstehe, was du meinst. Es tut mir Leid. Glaub mir, ich hatte nichts anderes im Sinn, als es dir bequem zu machen.« Erneut blitzte der Schalk in ihren Augen auf. »Oder fast nichts anderes.« Sie breitete die Arme aus. »Würdest du mich gern ausziehen, dich an mir revanchieren?«
Er konnte sich das sehr gut vorstellen. Konnte sich vorstellen, wie er ihr dieses lange, dünne Kleid abstreifte und sie darunter fand. »Ich will Antworten.« Seine Stimme war schneidend, hart. »Und zwar jetzt.«
»Ja, ich weiß. Aber bist du dafür auch bereit?« Sie drehte sich langsam im Kreis. »Ja, ich denke, hier ist der geeignete Ort dafür. Ich werde dir eine Geschichte erzählen, Calin Farrell. Die Geschichte einer großen Liebe, eines großen Verrats. Eine Geschichte über Leidenschaft und Gier, über Macht und Lust. Eine Geschichte über Zauberkunst, die gewonnen und wieder verloren wurde.«
»Ich will keine Geschichte hören. Ich will Antworten.«
»Das ist in dem Fall dasselbe. So oder so.« Sie drehte sich wieder zu ihm um und begann mit melodischer Stimme zu erzählen. »Vor langer Zeit bewachte diese Burg die Küste und deren Geheimnisse. Silbern ragte sie empor und schimmerte
weit über das Meer hinaus. Ihre Mauern waren dick, ihre Feuerstellen brannten hell. Dienstboten huschten treppauf, treppab in den Gemächern umher. Die Böden waren mit sauberen, duftenden Binsen ausgelegt. Die Luft vibirierte hell vor Magie.«
Sie ging auf einen gewundenen Treppenaufgang zu, raffte ihren Kleidersaum und begann hinaufzusteigen. Zu neugierig, um Einwände zu erheben, folgte ihr Calin.
Er konnte erkennen, wo einst die Böden gewesen waren, die Fensterstürze und Steinverstrebungen. Kleine Öffnungen waren in die Mauern eingemeißelt. Zu niedrig für Kammern, überlegte er. Vielleicht Vorratsräume. Einige Steine waren wie von einem großen Feuer geschwärzt. Und als er die Hand auf einen dieser Steine legte, hätte er schwören können, dass er noch immer die Hitze darin spürte.
»Diejenigen, die hier lebten«,
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