Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
zurückgewiesen, seine Moral angezweifelt, seine Macht kritisiert. Alles in einem Durchgang.
Zu seiner Zeit wäre eine Frau für solch eine Beleidigung …
Er stieß einen Fluch aus und marschierte wieder eine Weile umher. Dies war eine andere Zeit, und wenn er eines gelernt hatte, so war es das, sich an die Veränderungen im Verhalten und Denken anzupassen. Heutzutage stellten sich Frauen auf eine Ebene mit den Männern, und im Verlauf seiner jahrhundertelangen Studien und Betrachtungen war er zu dem Schluss gelangt, dass sie dazu jedes Recht hatten.
Nein, er hing nicht an alten Wertvorstellungen. Hatte er nicht jede neue technische Errungenschaft begrüßt? Hatte er sich nicht mit den gesellschaftlichen, kulturellen und moralischen Veränderungen befasst und sich aus jeder Epoche das herausgepickt, was ihm am vernünftigsten und besten erschien?
Er war seit jeher ein belesener Mann, war selbst zu seiner Zeit ein weit gereister Mann gewesen. Und seitdem hatte er sich ununterbrochen weitergebildet. Naturwissenschaften, Geschichte, Elektronik, Technik, bildende Kunst, Musik, Literatur, Politik. Im Grunde hatte er in den letzten fünfhundert Jahren unentwegt seinen Verstand trainiert.
Zugegeben, er hatte kaum Gelegenheit gehabt, sich anderweitig zu beschäftigen.
Trotzdem würde er auch jetzt seinen Verstand gebrauchen und Kayleens Argumentation noch einmal überdenken.
Sie hatte keine Ahnung, entschied er. Magie war nicht den Regeln ihrer Welt verpflichtet, sondern einzig sich selbst. Magie war Magie, Punkt. Kein gewissenhafter Zauberer fügte jemand anderem absichtlich Schaden zu, das war gewiss. Er hatte nichts weiter getan, als sich aus verschiedenen Epochen einige Exponate aus den Bereichen Technologie, Kunst und Innenausstattung zu besorgen. Man konnte ja wohl kaum von ihm erwarten, dass er in einer Höhle wohnte.
Diebstahl! Was für eine absurde Vorstellung.
Grimmig setzte er sich auf einen Stuhl in seiner Zauberkammer und sinnierte weiter.
Es war kein Diebstahl, überlegte er. Seit Urzeiten bewegten Zauberer die Materie von einem Ort zum anderen. Und was waren Juwelen anderes als hübsch geformte Materieklumpen?
Er seufzte. In Kayleens Augen waren sie weit mehr als nur Materie. Und er wollte auch, dass sie ihr mehr bedeuteten. Er wollte, dass sie davon geblendet und verzaubert war und ihn für dieses Geschenk abgöttisch liebte.
Genauso, gestand er sich nun ein, wie er damals die Frau, die ihn verraten hatte, blenden und verzaubern wollte. Oder besser gesagt, die Frau, die ihn verführt hatte, sich selbst und seine Kunst zu verraten. Diese Frau hatte alles, was er dem anderen Mann abgenommen hatte, gierig an sich gerissen und ihn dann seinem Schicksal überlassen.
Und Kayleen? War sie vom Glanz und Glitter der Juwelen überwältigt gewesen? Oder von der Gier nach mehr gepackt?
Nein, im Gegenteil. Sie hatte ihm die Ketten vor die Füße geworfen.
Sie trat für ihre Überzeugung ein. Und bot ihm kühn die Stirn. Bei der Erinnerung daran kräuselten sich seine Mundwinkel. Nein, das hätte er nicht von ihr erwartet, das musste er zugeben. Unerschrocken hatte sie ihm in die Augen gesehen, ihre Meinung offen kundgetan und sich durch nichts beirren lassen.
Gott, was für eine Frau! Seine Kayleen war stark und wahrhaftig. Kein kleines Dummchen, das zu einem Mann aufschaute, sondern eine Gefährtin, die sich auf gleicher Augenhöhe mit ihm befand. Das war großartig. Eine Zeit lang mochte sich ein Mann an einem hübschen Lärvchen gütlich tun, doch für eine ernsthafte Bindung brauchte er eine echte Frau.
Seufzend stand er auf und ging zur Tür. Eine echte Frau hatte er jetzt. Er sollte also schleunigst herausfinden, wie er Frieden mit ihr schließen könnte.
Kayleen überlegte einen Moment, ob sie losheulen sollte, doch das war nicht ihre Art. Sie beschloss, sich lieber auf
die Suche nach der Küche zu machen, was keine leichte Aufgabe war. Auf ihrem Erkundungsgang stellte sie fest, dass Flynn nur den einen Raum leer gezaubert hatte. Die anderen Zimmer und Gänge waren nach wie vor in Flynns eklektischem Stil eingerichtet.
Auch in der Küche herrschte diese Mischung aus Alt und Neu vor. Es gab zwar einen riesigen Kühlschrank und eine Mikrowelle, statt eines Herdes jedoch lediglich eine Feuerstelle. Der Anblick stimmte Kayleen wieder heiter. Leise vor sich hinsummend, brühte sie sich einen Tee auf, was einige Zeit in Anspruch nahm, da sie erst das Feuer entfachen musste, um das Wasser in dem
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