Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
»Du willst mein Geschenk ablehnen?«
»Ja. Wenn es jemand anderem gehört. Flynn, ich bin selbst im Handel tätig. Was meinst du, wie ich mich fühlen würde, wenn ich morgens meinen Laden aufschließe und feststellen muss, das irgendwelche Gegenstände verschwunden sind? Das wäre verheerend. Eine Entweihung meiner Räume. Und daneben gäbe es noch alle möglichen Unannehmlichkeiten. Ich müsste eine Aussage bei der Polizei machen, einen Bericht an die Versicherungsgesellschaft schreiben. Es würde Ermittlungen geben und …«
»Solche Probleme existieren hier nicht«, fiel er ihr ins Wort. »Du kannst deine gewöhnliche Logik nicht auf Magie anwenden. Magie hat eigene Gesetze.«
»Trotzdem gibt es einen Unterschied zwischen richtig und falsch, den selbst die Magie nicht aufheben kann. Diese Perlen können Erbstücke sein, Flynn. Abgesehen von ihrem materiellen Wert sind sie vielleicht für jemanden von großer Wichtigkeit. Ich kann sie nicht annehmen.«
Sie legte die Perlenketten auf den Tisch.
»Du hast keine Ahnung, was mich leitet.« Die Luft vibrierte unter seinem Zorn. »Kein Recht zu fragen, was in mir vorgeht. Seit Jahrhunderten entzieht sich deine Welt der meinen und errichtet um sich herum ihre brüchigen Mauern aus Vernunft und Verleugnung. Du bist hierher gekommen und spielst dich innerhalb weniger Tage als Richter über etwas auf, was du nicht einmal ansatzweise begreifst.«
»Ich verurteile nicht dich, Flynn, sondern dein Handeln.« Der Wind war in den Raum eingedrungen, kalt und schneidend. Er blies über ihr Gesicht, durch ihr Haar. Ihrem
mulmigen Gefühl zum Trotz reckte sie das Kinn in die Höhe. »Macht sollte nicht ohne ein Gefühl für Verantwortung ausgeübt werden. Nein, je mehr Macht man besitzt, desto verantwortungsbewusster sollte man handeln. Es wundert mich, dass du das in all den Jahrhunderten noch nicht gelernt hast.«
Seine Augen sprühten Funken. Er warf die Arme nach vorne, und der Raum explodierte in einem Schwall aus Klang und Licht. Kayleen taumelte zurück, schaffte es aber, ihr Gleichgewicht zurückzuerlangen und einen Aufschrei zu unterdrücken. Als es wieder aufklarte, war der Raum, bis auf Flynn und sie, leer.
»So würde es aussehen, wenn ich nach deinen Regeln lebte. Öde. Ohne Komfort. Ohne den Trost menschlicher Kultur. Nur leere Räume, in denen selbst die Echos verstummt sind. Fünfhundert Jahre Einsamkeit, und da sollte ich mir Gedanken darüber machen, wie jemand, dessen Leben nur einen Lidschlag lang währt, mit dem Verlust eines Gemäldes oder einer Lampe zurecht kommt?«
»Ja.«
Kleine zornige Blitze gingen von ihm aus. Und dann verschwand er, löste sich vor Kayleens Augen in Luft auf.
Was hatte sie getan?, fragte sich Kayleen panisch. Sie wollte schon nach ihm rufen, doch das wäre sinnlos gewesen, weil er jetzt nicht auf sie hören würde.
Sie hatte ihn vertrieben, dachte sie, während sie sich niedergeschlagen auf den blanken Fußboden sinken ließ. Hatte ihn mit ihren strengen Moralvorstellungen und starren Ansichten vertrieben, wie sie damit auch andere Menschen ihr Leben lang auf Distanz gehalten hatte.
Sie hatte ihm eine Moralpredigt gehalten, gestand sie sich mit einem Seufzen ein. Diesem unglaublichen Mann mit seinen wunderbaren Gaben. Sie hatte mit dem Finger auf ihn gezeigt, wie sie es auch bei ihrer Mutter machte. Hatte automatisch und aus Gewohnheit heraus die Rolle der vernünftigen Erwachsenen eingenommen und ihn dabei zwangsläufig zum Kind degradiert.
Offenbar konnte nicht einmal die Magie diesen grässlichen Wesenszug ausmerzen. Oder die Liebe ihn überwinden.
Jetzt war sie allein in einem leeren Zimmer. Allein, wie all die vielen Jahre zuvor. Flynn glaubte, er habe die Einsamkeit für sich gepachtet, dachte sie mit schiefem Lächeln. Aber auch sie hatte, weiß Gott, eine Karriere in Einsamkeit hinter sich.
Sie zog die Knie an, senkte die Stirn darauf. Das Schlimmste war, dass sie sich selbst jetzt, in diesem desolaten Zustand – traurig, wütend, sehnsüchtig – völlig im Recht fühlte.
Und das war beileibe kein Trost.
Sieben
Es dauerte Stunden, bis er seinen Zorn abreagiert hatte. Er wanderte umher, tobte, brütete. Und als seine Wut verraucht war, schmollte er. Auch wenn er diesen Ausdruck empört von sich gewiesen hätte.
Sie hatte ihn verletzt. Diese Erkenntnis, die nun langsam in ihm heraufdämmerte, versetzte ihm einen Schock. Die Frau hatte ihn bis auf die Knochen blamiert. Sie hatte sein Geschenk
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