Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
rationalen Dinge. Und ihr Herz lachte darüber.
Es spielte keine Rolle. Sie mochte mit sich hadern, verwirrt und verärgert sein, ja, sogar bereit, das Unbegreifliche zu akzeptieren. Aber das spielte keine Rolle, wenn er sie oder das, was zwischen ihnen aufgeflammt war, nicht wollte.
Sie blieb stehen, umtost von den rasenden Schwingen des Windes, geknüppelt von der Gischt der Wogen. Über ihr stieß eine Möwe, weiß wie der Mond, ihren gellenden Schrei aus und ließ sich in dem elektrisch aufgeladenen Luftstrom davontreiben.
Oh, wie sehr sie die Möwe um diese Freiheit beneidete. Einfach wegzufliegen, wohin der Wind sie trieb, um dort anzukommen, wo sie hingehörte.
Du musst in der Gegenwart leben, verstehst du, Lena?, raunte ihr die geduldige Stimme ihrer Mutter ins Ohr. Du musst Einsatz zeigen, Entschlossenheit. Du kannst dich nicht einfach nur treiben lassen und auf dein Schicksal vertrauen. Es ist an der Zeit, dass du dich auf eine Karriere
konzentrierst, deine ungeheure Energie darauf verwendest, beruflichen Erfolg zu erlangen.
Und unhörbar schwang der Satz mit: Du enttäuschst mich.
»Ich weiß. Es tut mir Leid. Es ist furchtbar. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wie furchtbar es ist, als Versager vor dir zu stehen.«
Sie würde sich bessern, gelobte Allena. Sie würde Margaret überreden, ihr eine zweite Chance zu geben. Irgendwie. Dann würde sie sich mehr anstrengen, wachsamer sein, verantwortungsvoller, vernünftiger.
Und sich elend fühlen.
Der Hund stieß den Kopf gegen ihr Bein, rieb sein warmes Fell an ihr. Getröstet durch diese kleine Geste, wandte sie sich vom Meer ab und setzte ihren Weg entlang der Klippen fort.
Sie war nach draußen gegangen, um einen klaren Kopf zu bekommen, erinnerte sie sich. Und nicht, um sich noch mehr in ihre Probleme zu verstricken. Und welcher Ort wäre besser geeignet, um Herz und Geist von Last zu befreien? Unter dem bedrohlichen Himmel erstrahlten die schroffen Hügel in einem seltsamen Licht, und die gefährlichen Klippen glitzerten wie poliertes Erz. Wildblumen leuchteten in dem grünen und grauen Dickicht auf, und da und dort war der purpurne Schatten von Heidekraut zu erkennen.
Sie sehnte sich danach, die Heideblumen zu pflücken, ihre Arme damit zu füllen, ihr Gesicht in dem Duft zu vergraben. Beseelt von diesem Gedanken, machte sie kehrt und kletterte über die Felsen zu der Stelle, wo zarte Sprösslinge ihre Köpfe aus dem dürren Boden reckten, und dann höher
hinauf, zu den üppig bewachsenen, saftigen Erdhügeln, wo der Blütenduft so berauschend war, dass er sogar den urtümlichen Meergeruch überdeckte.
Als ihre Arme voll waren, hatte sie noch immer nicht genug. Lachend rannte sie über einen schmalen Weg. Und blieb plötzlich stehen und lauschte. Verdutzt schüttelte sie den Kopf. Sie vernahm ein eigentümliches Summen, wie sie es noch niemals gehört hatte. Und als sie weitergehen wollte, konnte sie es nicht. Sie konnte einfach nicht. Als ragte eine unsichtbare Wand zwischen ihr und dem nächsten Abhang auf.
»Mein Gott, was ist das?«
Sie streckte ihre zitternde Hand aus. Heideblüten fielen zu Boden und wurden vom Wind davongetragen. Sie spürte keinen stofflichen Widerstand, nur eine Art Hitze, als sie den Druck ihrer ausgestreckten Hand verstärkte. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte diese unsichtbare Wand nicht durchbrechen.
Blitze flammten auf. Donner grollte. Und durch den Donner hindurch hörte sie, wie jemand ihren Namen rief. Sie blickte zum Strand hinunter, halb in der Erwartung, Drachen oder Zauberer vorzufinden. Doch es war nur Conal, der mit gespreizten Beinen und flatterndem Haar da stand. Seine Miene war verärgert.
»Kommen Sie sofort herunter! Was fällt Ihnen ein, bei Gewitter in den Felsen herumzuklettern!«
Sie bot ein atemberaubendes Bild. Er hatte lediglich aus Verantwortungsgefühl nach ihr Ausschau gehalten, jedenfalls redete er sich das ein. Doch der Anblick, wie sie in dem gespenstischen Licht auf dem Klippenpfad entlangspazierte,
die Arme überfließend vor Blumen, traf ihn wie ein Schock. Er musste an sich halten, um ihr nicht hinterherzuklettern, sie mitsamt ihren Blumen an sich zu reißen und zu küssen, während der Wind über ihnen heulte und wütete.
Da er sich das so sehr wünschte, ihren Mund förmlich schmecken konnte, war sein Ton messerscharf, als sie unten am Strand angelangt war. »Bei diesem Wetter Blumen pflücken! Haben Sie denn nicht einen Funken von Verstand
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