Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
krank und schwach. Selbst als ich hinter mir ihr Weinen hörte, drehte ich mich nicht um. Ich rannte weiter und versteckte mich im Bootshaus meines Onkels. Erst am nächsten Morgen stöberte mich mein Vater dort auf.
Er gab mir keine Tracht Prügel, wie ich es erwartet hatte, oder zog mich am Ohr mit sich nach Hause. Nein, er setzte sich einfach neben mich, zog mich an sich und erzählte mir, dass meine Muttter in der Nacht gestorben sei.«
Er blickte zu Allena auf. Sie wunderte sich, dass ihre Tränen unter der versengenden Kraft seines Blickes nicht sofort versiegten. »Ich liebte sie. Und meine letzten Worte für sie waren die bitteren Anklagen eines zornigen Kindes.«
»Denkst du … o Conal, wie kannst du nur ernsthaft glauben, dass es diese Worte waren, die sie in den Tod mitnahm?«
»Ich habe sie allein gelassen.«
»Und du gibst nach wie vor einem verängstigten und verwirrten zwölfjährigen Jungen die Schuld dafür? Schäm dich! Schäm dich für deinen Mangel an Mitgefühl.«
Ihre Worte rüttelten ihn auf. Beide erhoben sich gleichzeitig vom Tisch. »Jahre später, als ich ein erwachsener Mann war, habe ich meinen Vater genauso allein gelassen.«
»Das ist selbstquälerisch und obendrein unwahr.« Energisch stapelte sie die Teller übereinander und trug sie zum Spülbecken. Er brauchte kein Mitgefühl, wurde ihr bewusst. Nein, er brauchte die harte, ungeschminkte Wahrheit. »Du hast mir selbst erzählt, dass du keine Ahnung von seiner Krankheit hattest. Er hat es dir nicht gesagt.«
Sie ließ heißes Wasser ins Becken einlaufen, gab ein paar Spritzer Spülmittel hinzu und starrte finster auf den aufsteigenden Schaum. »Du verfluchst den Gedanken, du könntest – wie nennst du es? – elfisches Blut in dir haben, aber trotzdem scheinst du die Vorstellung, Gott zu spielen, ungemein zu genießen.«
Er wäre kaum schockierter gewesen, wenn sie ihm die Pfanne an den Kopf geworfen hätte. »Du hast leicht reden, denn du kannst morgen einfach weggehen und aus der ganzen Sache aussteigen.«
»Richtig, das kann ich.« Sie drehte den Wasserhahn ab und wandte sich zu ihm um. »Endlich kann ich tun, was immer ich möchte. Und ich danke dir, Conal, weil du mir geholfen hast, meine Schwächen und Fehler zu erkennen, und weil du mir gezeigt hast, dass auch ich etwas Kostbares zu geben habe. Und ich möchte es geben, Conal. Ich möchte mir ein Heim schaffen und eine Familie haben und mein Leben mit jemandem teilen, der mich wertschätzt, der mich versteht, der mich liebt. Auf weniger werde ich mich niemals wieder einlassen. Ganz im Gegensatz zu dir. Du versteckst dich immer noch im Bootshaus, nur nennst du es jetzt Atelier.«
Gemeine und hasserfüllte Worte lagen ihm auf der Zunge. Doch er war kein kleiner Junge mehr und wählte lieber die schärfere Klinge, die aus eisiger Gleichgültigkeit geschliffen war. »Ich habe dir erzählt, worum du mich gebeten hast. Ich habe Verständnis für das, was du dir wünschst. Doch du hast keinerlei Verständnis für das, was ich brauche.«
Er ging hinaus, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
»Du irrst dich«, sagte sie leise. »Ich habe Verständnis.«
Sie beschäftigte sich den ganzen Vormittag über. Falls sie morgen tatsächlich gehen sollte, so würde sie wenigstens irgendetwas von sich zurücklassen. So einfach sollte er sie nicht vergessen.
Sie hängte die Gardinen auf, die sie ausgebessert hatte,
und freute sich an den filigranen Mustern, die das Sonnenlicht durch die Spitzen hindurch auf den Boden warf. In der Waschküche fand sie Werkzeug und Pinsel und was sie sonst noch brauchte. In einem Anflug von Trotz schleppte sie alles nach draußen. Sie würde diese verdammten Fensterläden abschmirgeln und streichen.
Die Arbeit beruhigte sie, und dieses formbare Herz, von dem sie gesprochen hatte, begann vor Sehnsucht zu schmerzen. Dann und wann warf sie einen Blick zum Atelier hinüber. Er war da drinnen, das wusste sie. Wo sollte er auch sonst sein? Obwohl ein Teil von ihr aufgeben und zu ihm gehen wollte, blieb sie standhaft, denn sie verstand, was er brauchte.
Er brauchte Zeit.
»Aber sie läuft aus«, murmelte sie. Sie trat einen Schritt zurück, um das Ergebnis ihrer Arbeit zu begutachten. Die Farbe schimmerte feucht und blau und in den Fenstern flatterten die Spitzengardinen in der Brise.
Jetzt, da alles fertig war und es nichts mehr zu tun gab, hatte sie das Gefühl, sie würde jeden Moment vor Erschöpfung zuammenbrechen. Nahezu taumelnd
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