Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Geschichte wie all die anderen Geschichten über Meerjungfrauen und Feen und verwunschene Plätze.«
Er aß, weil der Pfannkuchen vor ihm stand und sie sich die Mühe gemacht hatte, ihn für ihn zuzubereiten. »Meine Mutter zeichnete gern, und sie lehrte mich, die Welt zu sehen. Und wie man das, was man sieht, mit Bleistift und Kreide wiedergibt. Mein Vater liebte das Meer, und ich dachte, ich würde in seine Fußstapfen treten. Doch zu meinem achten Geburtstag schenkte mir meine Mutter Ton. Und ich …«
Er hielt inne, hob beide Hände und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. Sie waren wie die Hände seines Vaters. Groß, rau und kräftig. Dennoch waren sie nie dafür geschaffen gewesen, Netze auszuwerfen.
»Das Formen und die Suche nach dem, was sich hinter der Form verbarg … das reizte mich ungeheuer. Und Holz. Das Holz so lange zu schnitzen und zu bearbeiten, bis man den anderen zeigen konnte, was man selbst darin gesehen hatte. Meine Mutter verstand das. Sie kannte das.«
»War dein Vater enttäuscht?«
»Eher erstaunt, denke ich.« Conal zuckte die Achseln, nahm seine Gabel wieder zur Hand. »Wie sollte ein Mann mit Holzschnitzereien oder dem Behauen von Steinblöcken seinen Lebensunterhalt verdienen? Aber da es meiner Mutter gefiel, erhob er keine Einwände. Ihr zuliebe und weil für ihn, wie ich später erfuhr, mein Schicksal bereits besiegelt war. Ob ich nun Skulpturen anfertigte
oder Fischen ging, es würde schlussendlich keine Rolle spielen.«
Als er verstummte und wieder auf den Anhänger starrte, schob Allena ihn kurzerhand unter ihren Pullover. Und während sie fühlte, wie dessen Wärme sich langsam über ihrem Herzen ausbreitete, wartete sie, dass Conal seine Geschichte weitererzählte.
Zehn
»Meine Eltern hätten nach mir gern noch weitere Kinder gehabt. Zweimal erlitt meine Mutter eine Fehlgeburt, und die zweite, als ihre Schwangerschaft schon sehr weit fortgeschritten war … die zerstörte sie. Ich war noch jung, aber ich entsinne mich, dass sie lange Zeit bettlägerig war. Und entsetzlich blass, selbst dann noch, als sie schließlich aufstehen durfte. Mein Vater stellte für sie einen Stuhl nach draußen, damit sie an der frischen Luft wäre und auf das Meer hinausblicken könne. Danach hat sie sich nie wieder erholt, doch das wusste ich damals nicht.«
»Du warst nur ein Junge.« Als sie die Hand zart auf die seine legte, senkte er den Blick und lächelte ein wenig.
»Weichherzige Allena.« Er drückte kurz ihre Hand, ehe er sie wieder losließ. »Sie war krank in dem Sommer, als ich zwölf war. In jenem Frühjahr ist mein Vater dreimal mit ihr auf der Fähre zum Festland gefahren, während ich bei meinen Cousins blieb. Sie war dem Tod geweiht, und niemand fand einen Weg, um sie zu retten. Ein Teil von mir war sich dessen bewusst, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Jedesmal, wenn sie wieder nach Hause kam, war ich überzeugt, dass sie nun gesund sei.«
»Armer kleiner Junge«, murmelte Allena.
»So viel Mitleid, wie du meinst, verdient er nicht. In diesem Sommer, als ich zwölf war, spazierte sie mit mir zum
Strand hinunter. Sie hätte im Bett bleiben sollen, aber das kümmerte sie nicht. Sie erzählte mir von den Steinernen Tänzern und dem Stern und meiner Rolle in dem Ganzen. Sie zeigte mir den Anhänger, den jetzt du trägst und den ich schon unzählige Male gesehen hatte. Und dann nahm sie meine Hand, schloss sie um den Anhänger, und ich fühlte sein Pulsieren.
Ich war so aufgebracht. Ich wusste, ich war nicht anders als andere Kinder, nicht anders als meine Cousins und Spielgefährten. Warum sagte sie so etwas? Sie meinte, ich sei sehr jung, um so ein Erbe überreicht zu bekommen, doch sie hätte das mit meinem Vater besprochen. Er habe zugestimmt, die Entscheidung über den Zeitpunkt und die Art und Weise der Übergabe ihr zu überlassen. Sie wollte mir den Anhänger geben, bevor sie von uns ginge.«
»Du wolltest ihn nicht haben.«
»Nein, bei Gott, das wollte ich nicht. Ich wollte sie. Ich wollte, dass alles wieder wie früher wird. Als sie gesund war und ich nichts weiter als ein kleiner Junge, der durch die Hügel streifte. Ich wollte sie wieder in der Küche singen hören, wie sie es getan hatte, bevor sie krank wurde.«
Alles in ihr begehrte danach, ihn zu trösten, doch als sie die Hand auf seinen Arm legte, schüttelte er sie ab. »Ich schrie sie an und rannte weg. Sie rief meinen Namen und rannte mir nach, doch ich war gesund und kräftig und sie
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