Im Licht der Träume: Drei Romane in einem Band (German Edition)
sehr nüchtern. Deshalb muss ich auch glauben, was ich sehe, selbst wenn es irrational ist.«
»Wenn es die reale Welt gibt, muss es auch die irreale Welt geben. Es gibt ein Gleichgewicht der Dinge, Kayleen.«
»Nun.« Sie lehnte sich zurück und blickte sich um. »Ich halte sehr viel von Gleichgewicht.« Die Luft funkelte. Sie spürte das Funkeln auf ihrem Gesicht. Roch den tiefen, würzigen Duft des Waldes. Hörte den trällernden Gesang der Vögel. Sie war im Hier und Jetzt. Und er war bei ihr.
»Gut, ich sitze auf einem hübschen antiken Stuhl in einem verzauberten Wald und unterhalte mich mit einem fünfhundertachtundzwanzigjährigen Zauberer. Und als wäre das noch nicht verrückt genug, bin ich auch noch in ihn verliebt.«
Das entspannte Lächeln wich aus seinem Gesicht. Die Empfindungen, die ihn nun durchströmten, waren so heiß und verworren, so vielschichtig und vielgestaltig, dass er sie nicht ordnen konnte. »Ich habe auf dich gewartet, durch die Zeiten hindurch, durch die Träume, durch jene kleinen Lebensfenster, die ebenso Qual wie Freude sind. Wirst du jetzt zu mir kommen, Kayleen? Aus eigenem Willen?«
Sie stand auf und ging über den weichen Waldboden auf ihn zu. »Ich weiß nicht, warum ich so empfinde. Ich weiß nur, dass es so ist.«
Er zog sie in die Arme, und diesmal war der Kuss hungrig. Besitzergreifend. Als sie sich an ihn schmiegte, die Arme um seinen Nacken geschlungen, küsste er sie noch tiefer, gieriger. Trank sie in tiefen Zügen.
Ihr war schwindlig, doch sie genoss diesen entrückten Zustand. Niemand hatte sie jemals so begehrt – nicht auf diese Art. Sie so berührt. So gebraucht. Das Verlangen war eine heiße Flamme, die das Blut erhitzte und Logik, Vernunft und gesunden Menschenverstand ins Lächerliche verkehrte.
Sie hatte Magie. Wozu brauchte sie da noch Vernunft?
»Meine«, murmelte er an ihrem Mund. Sagte es wieder und wieder, während er mit den Lippen über ihr Gesicht strich, ihren Hals. Bis er dann den Kopf zurückwarf und es laut hinausschrie.
»Sie ist mein. Jetzt und für immer mein. Ich beanspruche sie, wie es mein Recht ist.«
Als er sie hochhob, zerriss ein Blitz den Himmel. Und die Erde bebte.
Sie ritten durch den Wald. Er zeigte ihr einen Fluss, wo goldene Fische über silberne Steine schwammen. Wo ein Wasserfall in ein Becken, klar wie blaues Glas, herabstürzte.
Er stieg ab und pflückte Wildblumen, die er ihr ins Haar flocht. Und als er sie küsste, war sein Kuss sanft und süß.
Seine Stimmungen sind ebenso geheimnisvoll wie er selbst, dachte sie, und genauso unerklärlich. Er umwarb sie
und brachte sie zum Lachen, indem er aus der Luft Spezereien pflückte und Regenbogen an den Himmel malte.
Sie fühlte die Brise auf ihren Wangen, roch die Blumen und die Feuchtigkeit. Ihr Herz war weit und voller Musik. Märchen gibt es wirklich, dachte sie. Ihr ganzes Leben lang hatte sie Märchen mit ihrem Es-war-einmal und Sie-lebten-glücklich-bis-an-ihr-Lebensende als törichten Kinderkram belächelt, während sie nun ihr eigenes Märchen erlebte.
Nichts würde oder könnte jemals wieder so sein wie zuvor.
Hatte sie es irgendwie geahnt? Hatte sie tief in ihrem Inneren gespürt, dass etwas oder jemand auf sie wartete, um sie aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken?
Zu Fuß oder zu Pferde setzten sie ihren Weg fort. Die Luft war von Vogelgezwitscher erfüllt, und die letzten Nebelschleier wichen einem Tag so klar wie ein Diamant.
Neben dem Wasserbecken deckte er zu einem Picknick auf, schenkte Wein aus der offenen Hand ein, um Kayleen zu erheitern. Und immer wieder berührte er ihr Haar, ihre Wangen, ihre Schultern, als wollte er sich vergewissern, dass sie auch wirklich da war.
Sie hatte noch nie eine Romanze erlebt. Hatte sich nie die Zeit dafür genommen. Und jetzt erlebte sie innerhalb eines einzigen Tages eine Liebesgeschichte, wie sie vollkommener nicht sein könnte.
Er kannte sich in allen Bereichen aus. Geschichte, Kultur, Kunst, Literatur, Wissenschaft. Und sie fand es ungemein prickelnd, dass der Mann, der ihr Herz berührte, sie körperlich ebenso anzog wie geistig. Er konnte sie zum Lachen
bringen, in Staunen und Erregung versetzen. Und er machte sie so glücklich, dass sie sich wunderte, wie sie ohne dieses Gefühl überhaupt hatte leben können.
Wenn dies ein Traum war, dachte sie, als die Dämmerung sich senkte und Flynn sie wieder zu sich in den Sattel hob, so hoffte sie, sie würde niemals daraus erwachen.
Fünf
Ein perfekter
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