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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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»Ich weiß es genau.«
    »Nun«, räumte Swetja ein. »Vielleicht gibt es das Land. Aber nicht hier. Es gibt ein paar Übereinstimmungen; diesen Fluss beispielsweise, der auf der Karte ›Djinna‹ heißt und der in der Tat die Djena sein könnte, und diese Gipfel dort, die den Bergen auf der Karte gleichen. Aber das alles muss eine zufällige Ähnlichkeit sein, denn es gibt hier auch jede Menge Berge dazwischen, die auf der Karte nicht sind. Ihr sagt, die Karte sei alt und die Landschaft habe sich verändert. Aber Berge wachsen nicht wie Bäume, zumal dann nicht, wenn der Berg daneben fast unverändert bleibt.«
    Borija riss die Karte wieder an sich. »Nein«, sagte er. »Waraj ist hier irgendwo. Ihr könnt rechnen, dewa Swetjana. Doch es fehlt Euch an der Vorstellungskraft, um die Veränderungen zu berücksichtigen, die sich vollzogen haben. Dann werde ich uns also weiterhin führen müssen, so gut ich es vermag.«
    »Aber wie wollt Ihr uns führen, wenn Berge an den Stellen sind, wo Ihr Städte sucht?«, rief Swetja.
    Die Männer schauten zu ihnen herüber. Swetja hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Borija musterte sie eisig. »Ich werde uns führen«, sagte er, »und wir werden sehen.«
    Der Bergpfad schlängelte sich an einer fast senkrechten Steilwand entlang. Das Geröllfeld vor ihnen sah so aus, als wäre ein Teil des Berges eingestürzt. Davor verbreiterte sich der Pfad zu einer Art Felsterrasse.
    »Halt«, befahl Borija. »Wir machen Rast.«
    Müde setzten die Männer sich auf herumliegende Steinbrocken. Sie murrten. Vier Tage waren vergangen, seit sie die Schiffe verlassen hatten. Am zweiten Tag hatte Borija sie auf halbe Ration gesetzt, als sich abgezeichnet hatte, dass sie ihr Ziel nicht so schnell erreichen würden. Seitdem war der Hunger ihr Weggefährte, und die Knappsäcke waren fast leer.
    Auch Swetja litt Hunger. Borija hatte sie von der Kürzung ausdrücklich ausgenommen und nötigte ihr immer eine ganze Ration auf. Das führte nur dazu, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam und erst recht weniger aß. Sie schützte fehlenden Appetit vor und verteilte ihren Anteil an junge Soldaten, die es »nötiger brauchten«.
    Und das wiederum führte nur dazu, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte und Hunger und dass sie sich außerdem auch noch dumm vorkam. Sie trat an die Kante des Felsvorsprungs und blickte hinab. Hier ging es fast hundert Schritt in die Tiefe, und sie sah keine Wand unter ihren Füßen. Die Hochfläche sprang vor wie ein Balkon, und Swetja wollte sich lieber nicht vorstellen, wie brüchig der Grund womöglich war, auf dem sie stand.
    Hastig trat sie von dem Abgrund zurück und auf das Geröllfeld zu. Borija hatte wieder seine Karte ausgepackt und sie auf den Steinen ausgebreitet. »Es muss hier sein«, murmelte er.
    Swetja trat zu ihm. Halblaut sprach sie ihn an. »Hier ist weit und breit nichts zu sehen von Menschen oder Städten. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir umkehren. Die Vorräte sind so gut wie aufgebraucht.«
    »Städte sind mir egal«, sagte Borija. »Ich suche nur eine einzige Sache.«
    »Aber die Karte ist falsch!«, rief Swetja. »Seht Ihr das denn nicht, Hauptmann? Wenn wir hier noch länger nach etwas suchen, was es nicht gibt, sind wir alle verloren. Wir und die Männer, die nach uns kommen.«
    Sie hatten auf dem Weg in die Berge kleine Gruppen von Soldaten zurückgelassen, die jeweils den nachrückenden Truppen den Weg weisen sollten. Nur ein Dutzend Dragoner waren ihnen geblieben – Borijas ursprüngliche Schar. Die Männer schauten auf und verfolgten den Disput ihres Hauptmanns mit dem Edelfräulein.
    »Wir werden nicht lange suchen. Was wir wollen, ist genau hier. Und vergesst die alte Karte. Ich weiß auch aus neueren Berichten, dass unser Ziel hier ist.«
    »Was?«, fragte Swetja. »Was ist dann unser Ziel, wenn es nicht die Städte sind und das Volk unserer Vorfahren, von dem Ihr geredet habt?«
    Borija zögerte. Er sah zu seinen Männern, die schweigend zuhörten. »Wir suchen einen einzelnen Mann«, räumte Borija schließlich ein. »Einen Weisen, der uns weiterhelfen kann.«
    »Nun, offensichtlich ist er nicht hier.«
    »Er muss hier sein«, sagte Borija. »Denn ohne ihn gibt es keinen anderen Ort, zu dem wir gehen könnten.«
    »Wir können zum Fluss zurück«, sagte Swetja. »Im Wald können wir besser überleben als in den kargen Bergen.«
    »Und dann?«, fuhr Borija sie gereizt an. »Sollen wir einen wilden Stamm in der Verbannung

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