Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
die Zitadelle vermuteten. Er schien gleich hinter der Hügelkette aufzuragen, aber Wolken und Dunst verhüllten die Flanken, und die Schatten darin mochten Bauwerke sein oder einfach nur Spalten und Felsen.
»Wir sollten jedenfalls anfangen, nach Tarukans Männern Ausschau zu halten«, stellte Mart fest.
»Wenn’s die Schniegel überhaupt bis hierher geschafft haben«, sagte Tori.
»Wäre mir recht, wenn wir denen über den Weg laufen.« Gontas öffnete und schloss seine kräftigen Finger. »Wenigstens einer ist dabei, mit dem hab ich noch was offen. Niemand bestiehlt Gontas von den Cefron.«
Gontas dachte an den Reiter, der Halime entführt hatte. Zugleich dachte er an Apis, wo seine Äxte gestohlen worden waren. Er konnte diese beiden Taten immer schlechter auseinanderhalten. Alles, was ihm jemals widerfahren war, jede Herausforderung und sein eigener innerer Zorn, all das verschmolz in seinem Geist zu einer einzigen grauen Wolke, die Blut forderte. Je näher sie ihrem Ziel kamen, umso schwerer fiel es Gontas, einen klaren Kopf zu behalten.
Die Worte der Königin, die immer noch durch seine Gedanken huschten und versuchten, eine feste Form anzunehmen, waren dabei nicht hilfreich. Aber Gontas hatte das Gefühl, als käme noch etwas von außen hinzu, als würde die Zitadelle oder der Styx oder irgendetwas sonst seinen Geist unter einen Bann zwingen wollen. Ob es vielleicht Tarukans Hexer waren, die ihn aus der Ferne mit ihrer Magie verwirrten?
Was es auch war, Gontas sehnte sich nach der Klarheit eines Kampfes.
Sardik, der Geist des Krieges … Daheim im Lager hatte Gontas mit Ochos über seine Befürchtung gesprochen, dass ein Dämon des Krieges von ihm Besitz ergriffen hatte. Aber es war mehr. Er war ein Dämon des Krieges. Sardik selbst war in seinem Leib zurückgekehrt …
Gontas schüttelte den Kopf. Er rieb sich die Stirn, um den Wahnsinn zu vertreiben. Wo kamen diese Gedanken her? Sardik war der Krieger gewesen, der alle Dämonen vertrieben hatte. So erzählten es die Legenden seines Volkes. Sardik war kein Dämon, der von irgendwem Besitz ergriff.
Er musste seinen Wahnsinn niederringen, bevor er seine Gefährten in Gefahr brachte!
Gontas ging langsamer und nahm das Gespräch an einer harmlosen Stelle wieder auf. »Waschen macht also krank«, sagte er. »Das glaubt ihr Khâl?«
Tori nickte eifrig. »Klar, du. Hab mit’m Heilkundigen in Niblis gesprochen, der hat Stein und Bein drauf geschworen. Hat selber nichts anders getrunken als Wein, damit ihn das schlechte Wasser nicht von innen auffrisst.«
»Pah, den kenn ich auch«, sagte Mart. »Ein besoffener alter Beinschneider war das. Und Wein hat der auch nur getrunken, wenn nichts Härteres da war.«
»Es gibt nur wenig Wasser im Buschland. Ein Bad ist ein Luxus. Aber wir waschen uns, wann immer wir die Gelegenheit dazu bekommen. Es ist eine Schande, dass die Städte der Khâl das Wasser sogar durch Rinnen bis zu ihren Häusern lenken und so wenig Gebrauch davon machen. Der Gestank in den Städten … Kein Buschläufer kann das verstehen.«
»Weiß nicht«, sagte Mart. »Sie gewöhnen sich schnell dran, wenn sie als Söldner zu uns kommen.«
»Ja«, sagte Gontas. »Man gewöhnt sich an manches. Aber das bedeutet nicht, dass es gut und richtig ist.«
Sie stapften zu dem Einschnitt zwischen den Hügeln hinauf. Ein schmaler Pfad führte dort entlang. Überall am Hang standen Findlinge, in deren Spalten grünes Moos wuchs. Kleine Bäume mit breiter Krone klammerten sich daran oder dazwischen fest. Das Laub raschelte. Die Vögel, die Gontas von Ferne gesehen hatte, schwiegen.
An der höchsten Stelle des Passes hielt Gontas inne. Er spähte über das breite Tal auf der anderen Seite und versuchte, mehr von dem Berg der Zitadelle zu erkennen, der nun zum Greifen nah zu sein schien.
Tori blickte an seiner Schulter vorbei und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den Boden. »Da bewegt sich was, unten am Rand vom Wald, du! Ich glaub, da stecken Tiere unter den Bäumen.«
»Tiere?«, fragte Mart. »Lass uns mal ranpirschen. Ich bin die schmale Kost …
Er verstummte. Wenige Schritte vor ihnen traten Männer aus der Deckung der Felsen. Sie trugen schwarze, eisenbeschlagene Schilde, halb so hoch wie ein Mann, dazu Speere und Schwerter und eine Rüstung aus Holz und dunklem Leder.
»Tarukans Männer!«, rief Mart.
»Sie kommen, um zu sterben.« Gontas zog die beiden Äxte aus dem Gürtel und duckte sich. Hinter den Schildträgern traten Söldner
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