Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

dunklen Augen, und sie blieb genauso schweigsam dabei wie damals, als er ihr zum ersten Mal begegnet war.
    Tarukan war begeistert. »Schon dieses Wunder lohnt die Reise«, rief er. »Wenn wir das Geheimnis dieses Tors enträtseln, hält uns keine Stadtmauer mehr auf. Jetzt sind wir im Inneren der Zitadelle, und die Geheimnisse und die Waffen der Götter gehören uns!«
    »Die Götter, oh ja!«, krähte der verrückte Hexenmeister. »Und Ihr, Fürst Tarukan, werdet ihr Feldherr sein.«
    »Feldherr?« Tarukan musterte ihn missbilligend. »Die Götter sind schon lange fort. Ich werde ein König sein und mein eigener Herr.«
    Der Gang führte in eine gewaltige Halle, die den ganzen Turm einnahm, ohne irgendein Zwischengeschoss. Hoch oben fiel Tageslicht in schmalen Streifen durch die wenigen Fenster.
    Dennoch war der dämmrige Saal nicht leicht zu überblicken; er war angefüllt mit ungeheuerlichen Anlagen, mit hausgroßen Kästen, an deren Seiten Räder angebracht waren. Diese erinnerten an metallene Kutschenräder, doch die Kanten waren mit Zähnen versehen, und es gab Räder in allen Größen, die ineinandergriffen. Dazu kamen Kolben und Stangen und riesige Gewichte, die an Ketten von der Decke hingen. Die ganze Mechanik verlor sich in der Höhe. Am Boden blieben zwischen den Aufbauten immer nur schmale Gassen frei, und die Eindringlinge mussten über Teile der Anlage klettern.
    Gontas, mit all den Muskeln und Sehnen, die Tarukan ihm durchtrennt hatte, war dazu gar nicht in der Lage. Er musste sich helfen lassen.
    Makri scharwenzelte um Halime herum. Immer wieder beugte er den Kopf bis zum Boden. »Ihr seid zu Hause, oh, Ihr seid zu Hause. Seht Euer grandioses Zuhause. Endlich seid Ihr heimgekehrt, oh Ihr Großartige! Wie lange haben wir auf diesen Augenblick gewartet, die Priester von Kar Ombos.«
    Ehrfürchtig berührte der Hexer den Saum ihres Kleides, er legte die Hand auf ihre Beine. Gontas wollte aufbrausen, doch da riss Makri die Hand schon wieder weg und tänzelte davon. »Oh großartige, wundervolle Rückkehr!«, sang er und schlängelte sich zwischen den Söldnern hindurch. Blut tropfte ihm von der Handfläche, mit der er das Kind berührt hatte, aber auf dessen Kleid war kein Fleck zurückgeblieben.
    Gontas sah, wie Halime dem Alten nachblickte, wie sie stockte und blinzelte, als wäre sie aus einem Tagtraum erwacht. Isme zog sie weiter.
    Es war dunkel und staubig in der Halle. Staub tanzte auch in den Lichtsäulen, die sich quer durch die Weite tasteten, und manche der Räder glänzten golden, wenn der Schein sie berührte. Mitunter hörte man ein Klicken, ein metallisches Scheppern irgendwo aus der Tiefe des Raumes. Sie fanden Durchgänge zu den anderen Gebäudeteilen, aber überall sah es ähnlich aus. Die ganze Zitadelle schien angefüllt zu sein mit einer einzigen zusammenhängenden Maschine. Das Mauerwerk hatte man darum herumgebaut, wie es am besten passte. Nirgendwo fanden sie etwas, das lose herumlag und das man hätte mitnehmen können. Nirgendwo sahen sie eine Möglichkeit, die Maschine einzustellen oder zu lenken, nirgendwo einen Hinweis auf ihren Zweck.
    »Das sieht aus wie eine dieser Konstruktionen aus Modwinja«, sagte Tarukan. »Wie eine Uhr oder ein Astrolabium. Aber wenn das ein Astrolabium sein soll, wo hängen dann die Gestirne?«
    Makri der Zauberer schüttelte den Kopf. In tadelndem Tonfall, wie zu einem dummen Kind, sagte er: »Die Sterne hängen am Himmel. Das weiß doch jeder.«
    »Gut, Zauberer.« Tarukan sah ihn an. »Dann sage mir, was soll ich hiermit? Siehst du in diesen Räumen irgendeine Magie, die ich anwenden kann?«
    »Oh ja.« Makri kicherte. »Oh ja.«
    Tarukan wartete. Der Zauberer huschte zwischen dem Gestänge der Maschine hindurch, und der Rest der Truppe hatte Mühe, Schritt zu halten. Nach einer Weile verlor Tarukan die Geduld.
    »Also, was ist? Was kann ich nutzen von diesem alten Zeug? Und wie?«
    »Nicht jetzt, noch nicht«, sagte Makri. »Nicht so. Es gibt keine Magie, die sich jetzt nutzen ließe. Aber sie wird noch von Nutzen sein.«
    Tarukan biss sich wütend auf die Unterlippe.
    »Vielleicht hättest du doch einen von den verständigeren Fincklern am Leben lassen sollen, Hauptmann«, sagte Isme. »Der verrückte Alte ist vielleicht keine Gefahr, aber er nützt uns auch nichts.«
    »Wenn’s überhaupt so was wie ’n verständigen Hexenmeister gibt«, warf ein anderer Söldner mürrisch ein.
    Sie gelangten in eine weitere riesige Halle, die ungewöhnlich