Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
sonst noch hier herumstreifen ließ?
Gontas bewegte sich vorsichtig. Schlingpflanzen wanden sich um Urwaldriesen mit faltigen Stämmen; dorniges Gestrüpp wucherte in lichteren Schneisen, wo die Strahlen der Monde als fahle Lichtlanzen bis zum Boden stießen. Dazwischen gab es freie Stellen, über denen sich schattig dicht verwobene Baumkronen spannten. Gontas folgte diesen dunklen Pfaden, wo die Pflanzen nur kniehoch standen. Das dichte Buschwerk mied er, denn schon ein Schritt Abstand mochte über Tod und Leben entscheiden und ihm einen Moment der Warnung verschaffen, wenn dort etwas lauerte. Das Gesträuch mochte selbst schon gefährlich genug sein. Gontas kannte die trügerischen Ranken und die giftigen Dornen vom Buschland her, und wenn der Zauberkundige, der hier lebte, seine Wachen aus Menschen und Raubkatzen mischte, wer konnte dann wissen, was er mit den Pflanzen gemacht hatte?
Vorsichtig setzte Gontas einen Fuß vor den anderen und behielt auch das unscheinbare Grün auf seinem Weg achtsam im Blick. Mitunter raschelte es verstohlen zwischen den Farnen. Abgestorbene Stümpfe wölbten das dornige Rankenwerk, windbewegte Baumwipfel sandten knisternde Erschütterungen in den Bewuchs am Boden und flößten Gontas Furcht ein vor verborgenen Bedrohungen. Er hielt seine Waffe bereit, den langen Holzschaft in der Hand und die Klinge auf die Schulter gelegt.
Der Waldgürtel war nicht dick, es konnte nicht weit sein bis zum weißen Turm. Aber Gontas konnte die Monde über den Bäumen nicht sehen, das Licht stach trügerisch aus verschiedenen Richtungen durch das Blattwerk, und das hellere Laub warf es zurück und verfremdete es. Unruhig suchte sein Blick das Dickicht zu durchdringen. War er noch auf dem richtigen Weg?
Mit einem Mal brach der Boden unter seinem rechten Fuß ein.
Gontas ließ die Stabklinge fallen und stolperte nach vorn. Seine Hände griffen ins spärliche Unterholz. Ein Loch im Boden! Es war nur knietief, und fast sofort stieß sein rechtes Bein auf festen Grund. Halb kniend kauerte Gontas da und lauschte. Schließlich zog er behutsam den Fuß aus der Grube.
Doch er kam nur einige Handbreit weit, dann hing er fest. Schlingen aus feiner Schnur zogen sich mit jeder Bewegung enger um sein Bein. Das war kein Loch, das war eine sorgsam angebrachte Falle!
Gontas tastete umher. Links und rechts gab der Boden nach. Unter einer dünnen Schicht aus Blättern und totem Holz verlief ein Graben, angefüllt mit dem seltsamen Geflecht. Gontas scharrte den Waldboden beiseite, bis er sein Bein sah. Dann erstarrte er.
Ein weißes, durchscheinendes Netz aus biegsamen Fasern umschloss seinen Unterschenkel.
Er stieß scharf die Luft aus. Ganz von selbst tasteten seine Finger nach der Stabklinge, die neben ihm zwischen den Pflanzen lag. Alles war still, trotzdem ging sein Atem schneller.
Er stieß die Klinge dicht bei seinem Bein in den Boden. Er spürte, wie die harten Fasern beiseiteglitten, fühlte den Widerstand, als die feinen Schlingen an den Widerhaken der langen Metallspitze Halt fanden. Gontas hebelte hin und her, spannte die Muskeln an, aber die Schlingen schlossen sich nur noch fester. Mit jedem Fingerbreit, den er das Bein hochziehen konnte, verlor er an Bewegungsfreiheit. Auch seine Stabklinge steckte nun fest. Gehetzt blickte er sich um.
Nichts war zu sehen außer dem fremden, unheimlichen Urwald, der ihn umgab.
Der kurze Augenblick brachte ihn zur Besinnung. Furcht konnte ihn genauso fesseln wie die feinen, harten Schnüre im Boden. Aber die Furcht konnte er beherrschen.
Er drehte die Stabklinge behutsam und nutzte den Spielraum, den die Spitze noch hatte. Mit dem langen hölzernen Schaft führte er die Klinge zum Fuß. Dort schob er sie unter die Fäden. Die Fasern konnte er nicht durchschneiden, aber mit sparsamen pumpenden Bewegungen schnitt er seinen leichten Lederstiefel an der Seite auf. Ein stechender Schmerz verriet ihm, dass er nicht nur das Leder erwischte, aber er konnte den Fuß wieder etwas bewegen. Als der Stiefel nur noch locker um sein Bein lag, nahm Gontas den Hornbogen von der Schulter, den er dem toten Söldner im Steinland abgenommen hatte.
Er hatte die Waffe gespannt und am Köcher befestigt, bevor er in den Wald von Tarukans Hexer gegangen war. Nun, in seiner eingezwängten, kauernden Stellung, war es sehr schwierig, die Sehne wieder abzunehmen. Als Gontas das geschafft hatte, schnürte er seine Hose auf und schob den Bogen am Hosenbein hinab. Die Hose verhinderte, dass
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