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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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ob er im nächsten Moment hilflos zu Boden fallen würde, vor die Füße seiner Verfolger.
    Er versuchte, sich abzulenken. Er dachte an die Insekten, die stundenlang, tagelang reglos an der Unterseite eines Blattes oder einer Zeltplane sitzen konnten, ohne sichtbare Anstrengung. Er würde das doch zumindest einige Augenblicke durchhalten. Vorsichtig drehte er den Kopf, lauschte durch die Türöffnung. Die klackernden Schritte kamen näher.
    Aus den Augenwinkeln sah er noch etwas anderes: Seine Ledertasche und der Köcher mitsamt Bogen baumelten von seinem Rücken herab. Sie schwangen sanft unter ihm und dicht oberhalb der Türkante. Diese Bewegung musste sein Versteck verraten!
    Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er drehte den Kopf so, dass die Tropfen ihm in die Haare liefen und hoffentlich nicht zu Boden perlten. Wenn die Neuankömmlinge nur einmal nach oben blickten, würden sie ihn unweigerlich entdecken. Er klebte an dem weißen Material wie ein dunkler Schatten.
    Die Fußtritte erreichten den angrenzenden Raum. Es war etwas Fremdartiges daran. Gontas hielt den Atem an. Dann kamen sie durch die Türöffnung: zwei hohe, schlanke Silhouetten in sich überlappenden Panzerplatten. Gontas brauchte
    einen Moment, bis er erkannte, dass er nicht zwei Männer in schwerer Rüstung sah, sondern dass diese Panzer gewachsen waren. Was unter ihm durch die Tür trat, waren zwei Kreaturen, die aussahen wie Ameisen – aber sie gingen aufrecht, und sie waren riesig!
    Wie viele seiner Wachen hatte der Hexenmeister auf so unnatürliche Weise verzerrt? Die beiden Ameisenmänner sahen noch fremdartiger aus als die Pantherfrau, und auch ihre Bewegung hatte nichts Menschliches mehr an sich.
    Gontas’ Herz schlug rascher. Er dachte an die empfindlichen Sinne der echten Insekten, an Mücken, die sogar in der Nacht umherflogen und unfehlbar jeden Menschen aufspürten. Sie mussten die Wärme eines menschlichen Leibes spüren, sie mussten ihn riechen. Wie konnte Gontas hoffen, sich vor ihnen verstecken zu können?
    Dennoch hing er da wie erstarrt. Seine überbeanspruchten Muskeln waren vergessen. Er hielt seine Stellung wie von selbst, es war ganz undenkbar, in diesem Moment eine Bewegung zu wagen, gar herabzufallen.
    Die beiden Ameisenwesen schritten gleichmütig unter ihm dahin, unter seiner schwingenden Tasche und dem Köcher hindurch. Sie waren hochgewachsen, aber zierlich gebaut. Gontas sah nur ihre Panzerplatten, hart und grau und fast so hell wie die Mauern des Turms. Die Riesenameisen trugen keine Kleidung, doch sie hielten Waffen in den Armen – und davon hatten sie vier.
    Ihre Augen bedeckten den halben Kopf. Gontas sah sein eigenes, schemenhaftes Abbild tausendfach gespiegelt in unzähligen Facetten, die sich unter ihm aufwölbten.
    Und dann waren sie vorüber.
    Sie hatten nicht einmal gezögert oder zu ihm aufgeblickt. Dennoch … wie konnte das sein? Die Augen waren riesig gewesen, sie waren genauso nach oben gerichtet wie nach vorn und zu den Seiten. Wie hatten sie ihn übersehen können?
    Aber Insekten nahmen die Welt anders wahr als ein Mensch. Das mochte ein Vorteil sein. Womöglich sahen diese Augen nur das, was sich bewegte, während einfache Umrisse in den Spiegelscherben ihrer facettierten Augen verloren gingen.
    Aber Tasche und Köcher hatten sich doch bewegt unter ihm! Oder hatte Gontas sich das nur eingebildet in seiner Sorge?
    Die Ameisenmenschen verschwanden hinter der Biegung des Ganges.
    Der Buschläufer atmete tief ein. Er wartete einige Augenblicke und ließ sich dann lautlos zum Boden hinab. Seine Arme und die Hände wehrten sich gegen die Anstrengung, der Schmerz kehrte zurück. Gontas zwang dem Körper seinen Willen auf. Wenn er sich einfach fallen ließe, konnten die Insektenwesen diese Erschütterung gewiss im ganzen Turm spüren. Er hatte sein Glück bereits bis zum Äußersten herausgefordert, als er diesen beiden Wachen entgangen war.
    Seine Hände waren taub, die Finger hingen erstarrt an den brennenden Handflächen. Gontas sah unter der Decke blutige Abdrücke, wo er eben gehangen hatte. Er konnte seine Stabklinge nicht festhalten und drückte sie mit dem Unterarm gegen den Körper. Dann hastete er weiter den Gang entlang, nach oben, in die entgegengesetzte Richtung zu den beiden Insektenmännern.
    Der Weg wendelte sich den Turm hinauf, mitunter durchbrochen von kleinen Treppen, meist aber so eben, dass man die Steigung kaum wahrnahm. Nur der Blick aus dem Fenster verriet Gontas, wie der Urwald

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