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Im Namen Caesars

Im Namen Caesars

Titel: Im Namen Caesars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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ziemlich treffend.
    Das wahre Zentrum der Republik war eindeutig das am unteren Hang des Capitolinischen Hügels gelegene Tabularium, in dem fast alle wichtigen Dokumente der Stadt und des Reiches aufbewahrt wurden. Es war unser einziges wirkliches Regierungsgebäude, denn ansonsten verfuhren wir immer noch nach der alten unbequemen Sitte unserer bäuerlichen Vorfahren, alle öffentlichen Angelegenheiten in Tempeln zu erledigen.
    So bewahrten wir den Staatsschatz im Saturntempel auf, obwohl unsere Münzen im Tempel der Juno Moneta geprägt wurden. Der Cerestempel diente als Amtssitz der Aedilen, Verträge und Testamente wurden im Tempel der Vesta aufbewahrt, und wenn wir jemandem den Krieg erklärten, taten wir dies im Bellonatempel. Unsere Basiliken dienten als Tagungsorte für die Gerichte, aber zugleich wurden in ihnen auch Märkte abgehalten und Bankgeschäfte abgewickelt. Etliche kleinere Tempel schließlich wurden je nach Bedarf für die eher unbedeutenderen öffentlichen Angelegenheiten genutzt.
    Im Archiv wurde unser gesamtes politisches Vermächtnis aufbewahrt; viele der hier gehüteten Dokumente waren schon mehrere hundert Jahre alt. Die Arbeit im Tabularium wurde von staatseigenen Sklaven und Freigelassenen erledigt. Während die gewaltige, für die Verwaltung der Staatssklaven aufgeblähte Bürokratie uns heute fast zu erdrücken droht, waren die im Archiv arbeitenden Sklaven damals nahezu die Einzigen, die sich im Besitz des Staates befanden. Wenn man etwas von ihnen wollte, pflegten sie eine unglaubliche Arroganz an den Tag zu legen, aber die Freigelassenen waren in dieser Hinsicht noch schlimmer.
    Ein durchschaubares System oder eine Ordnung gab es in unserem Archiv nicht. Anders als in der großen Bibliothek von Alexandria, in der jeder, der des Lesens mächtig war, sich direkt in den Flügel begeben konnte, in dem das von ihm gewünschte Werk aufbewahrt wurde, und es dort innerhalb weniger Minuten auch tatsächlich fand, war man im Tabularium auf Gedeih und Verderb den Archivsklaven ausgeliefert. Sie betrachteten das Wissen über die Aufbewahrung der Dokumente als ihr persönliches Geheimnis und machten sich auf diese Weise unentbehrlich.
    Nachdem ich mich durch gefragt hatte, gelangte ich in einen labyrinthartigen Bereich des Tabulariums, über den ein Freigelassener namens Androcles die Aufsicht hatte. Da er wie alle Archivangestellten eine grundsätzliche Aversion gegen jeden Besucher hatten, war er nicht gerade glücklich, mich zu sehen.
    »Senator Metellus, nicht wahr?«, brachte er gequält hervor.
    Schon die Aussprache meines Namens schien eine unerträgliche Zumutung für ihn darzustellen. »Ich dachte, die ganze Stadt hätte sich heute frei genommen, um die Soldaten auf dem Marsfeld zu begaffen. Als ob man so etwas nicht schon dutzendfach gesehen hätte. Aber sei's drum, unsereiner hat ungeachtet des ganzen Tohuwabohus seine Arbeit zu bewältigen.« »Das trifft sich ja hervorragend«, stellte ich fest. »Dann hast du sicher nichts dagegen, eine kleine Aufgabe für mich zu erledigen.«
    »Was?«, entgegnete er entgeistert und sah mich so finster an, als hätte ich gerade seine Familie, sein Vaterland und die in seiner Heimat verehrten Götter beleidigt. »Hast du eigentlich eine Ahnung, was man uns hier abverlangt? Ist dir vielleicht entgangen, dass Caesar dem Reich mit seinen Eroberungen nicht etwa nur eine, sondern gleich drei Provinzen hinzu gefügt hat?
    Wohlgemerkt drei!« Die letzten Worte schrie er mir geradezu ins Gesicht. »Ja, aber …«
    »Als ob man sich nicht einfach mit einer Provinz Gallien hätte begnügen können!«, ignorierte er meinen Einwand. »Aber nein - das ist für Caesar nicht genug! Er muss gleich drei Provinzen einrichten: Belgica, Aquitania und Lugdunensis! Drei vollkommen neue Provinzen auf einen Schlag! Einen Haufen Barbaren umzubringen und ihr Land zu erobern ist keine große Sache. Aber hast du eine Ahnung, wie schwierig es ist, Ordnung in diese Wildnis zu bringen und sie zu verwalten? Bei drei Provinzen heißt das, drei vollständig neue Beamtenapparate einzusetzen! Schließlich müssen die jeweiligen Verwaltungen aufgebaut und die Staatsfinanzen geregelt werden. Und jedesmal fallen natürlich jede Menge Akten an! Dabei sind wir noch voll und ganz mit Zypern beschäftigt. Als Nächstes kommt noch irgendein Idiot auf die Idee, Ägypten oder gar Britannien zu annektieren! «
    »Eine neue Provinz zu erobern ist keineswegs ein Kinderspiel«, widersprach ich ihm.

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