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Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Im Namen der Gerechtigkeit - Roman

Titel: Im Namen der Gerechtigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Gras aus und murmelte: «Der hat ja nicht mehr alle Tassen im Schrank.»
    Als der Kaffee kam, lockerte sich die Tafelrunde. Einige Richter in Hemdsärmeln hockten auf den Fersen zwischen zwei Stühlen. Andere vertraten sich auf dem Rasen vor dem Restaurant die Beine, und manch einer warf einen Blick in das kleine Betonbecken, in dem ein Schwarm Forellen schwamm. Der Nachmittag kühlte sich ab. Auf der leeren Landstraße raste ein rotes Auto dem flachen, dunstigen Horizont der Ebene entgegen.
    Dellera kam mit einem Zahnstocher im Mund und einem Glas Grappa in der Hand zu Doni.
    «Drei Richter an einem Gericht, aber man muss erst sehen, ob sie wirklich geheilt sind», sagte er.
    «Du liebes bisschen.»
    «Paradox, oder?»
    «Ich weiß nicht, was ich sagen soll.»
    «Wer hätte das gedacht, von Paoli.» Er trank einen Schluck Grappa. Der Geruch war so stark, dass er bis an Donis Nase drang. «Eigentlich bezeichnen wir ja jeden als verrückt.»
    «Mehr oder weniger.»
    «Was für ein Leben dieser arme Kerl wohl geführt hat?»
    «Ein schlimmes, nehme ich an.»
    «Aber man muss schon sagen, dass er jetzt ziemlich normal wirkt.»
    Zusammen beobachteten sie, wie sich der Junge unbefangen bewegte und den Freunden seines Großvaters flüchtig zulächelte. Sein Gesicht verriet keine besondere Regung. Auch kein Unbehagen oder eine wie auch immer geartete Einsamkeit. Der Geburtsfehler war innerlich ausgemerzt worden, nur die körperlichen Anzeichen blieben erhalten wie ein überflüssiger Fluch.
    «Würde mir so was passieren, ich würde mich umbringen», sagte Dellera.
    «Mein Gott, wie zynisch du bist.»
    «Ach was. Ich eigne mich bloß nicht besonders zum Vater.» Er trank noch einen Schluck und fragte dann: «Übrigens, wie läuft eigentlich das Berufungsverfahren von diesem Kerl?»
    «Welchem Kerl?»
    «Dem Onkel, der das Mädchen vergewaltigt hat.»
    «Ach so. Gut. Also, ich arbeite dran.»
    «Herrje, wenn es etwas gibt, was ich wirklich nicht mit der nötigen Distanz behandeln kann, dann sind es Pädophile.»
    «Ja, es ist schrecklich.»
    «Und sonst?»
    «Und sonst geht alles seinen Gang», sagte Doni und trat ein paar Schritte beiseite. «Entschuldige, aber ich möchte ein bisschen allein sein.»
    «Probleme?»
    «Nein. Nur Lebensüberdruss.»
    «Ganz der alte Doni», sagte Dellera und hob sein Glas. «Na dann prost.»
    Doni ging über den Rasen und hielt dabei Abstand von einer kleinen Gruppe. Er betrachtete die sich in der Ferne verlierenden Felder und die Flecken der Robinien, die hier und dort wie grüne Temperatupfen aufleuchteten. Er hatte einen Kollegen um eine Zigarre gebeten und rauchte sie nun in aller Ruhe. Bei jedem Essen bat er jemanden um eine Zigarette oder eine Zigarre und rauchte dann. Nicht dass es ihm besonders schmeckte, doch ihm gefiel die Ästhetik der Geste, die Situation.
    Da spürte er einen festen Griff an seinem linken Arm. Er drehte sich um. Es war Paoli.
    «Na, Doni, wie geht es uns?», erkundigte er sich.
    «Alles bestens.»
    «War das Essen gut?»
    «Wie immer.»
    «Eine deftige, aber gute Küche, was? Kommt aus meiner Heimat, Piacenza.»
    «Ja, ich muss zugeben, dass sie für mich ungewohnt ist.»
    Paoli bohrte ihm einen Finger in die Brust. «Das glaube ich gern, so dünn, wie du bist.» Dann lachte er und fügte hinzu: «Ach, und denk an die Tagung in Rom, ja?»
    «Wie bitte?»
    «Die Tagung. Also bitte, sag jetzt nicht, du hast sie vergessen.»
    Doni erinnerte sich an den Auftrag.
    «Nein, Exzellenz, nur keine Sorge. Nächsten Donnerstag.»
    «Genau. Man legt großen Wert darauf, weißt du.»
    «Ja, ich habe schon im Sekretariat Bescheid gesagt, dass man mir einen Flug buchen soll.» Das war gelogen. «Und auch das Hotel.» Auch das war gelogen. Er nahm es sich nun im Stillen vor.
    «Na wunderbar.» Paoli strahlte ihn an. «Bist du noch deprimiert wegen des Postens in Varese?»
    «Ach was, ich bitte dich. Vielleicht ist es am Ende sogar besser so. Zwischen den Anhängern der Lega Nord hätte ich mich nicht gerade wohl gefühlt.»
    «Eben. Und lass mal, das nächste Mal bist du an der Reihe.»
    Doni zuckte mit den Schultern und lächelte.
    «Du warst immer einer der Besten, hier bei uns.»
    «Danke, Exzellenz. Ich versuche nur, meine Sache gut zu machen.»
    «Richtig so. Sei unbesorgt, du wirst dich aus diesem Jammertal schon noch aufschwingen können.»
    Doni nickte. Paoli klopfte ihm auf die Schulter und schaute zur Tafel hinüber.
    «Und, was hältst du von meinem Enkel?», fragte

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