Im Namen des Sehers -: Soul Seeker 3 - Roman (German Edition)
habe ich seitdem auch nicht mehr gesehen. Allmählich vermisse ich sie.«
»Das bedeutet aber nichts Gutes für uns hier oben.«
Es ist eine ernüchternde Wahrheit, der ich begegne, indem ich schweigend in die Ferne blicke.
Während wir im Rhythmus von Kachinas Trott hin und her schwanken, behalte ich die Äste der Bäume genau im Blick, um zu erkennen, in welche Richtung sie sich winden und biegen. Immer wieder studiere ich das Muster der unter Kachinas Hufen aufgewirbelten Erde.
Nachdem wir schon ein gutes Stück geritten sind, frage ich: »Dace, funktioniert deine Magie noch? Ich glaube, je mehr Magie wir zusammen zur Verfügung haben, desto besser.«
»Das werden wir gleich wissen.« Er hebt die Hand, bis sie nur noch wenige Zentimeter von meiner Brust entfernt ist. Doch nachdem ein paar Sekunden lang nichts passiert ist, resigniert er. »Offenbar nicht. Ich wollte deinen Schlüssel klauen. Ich schätze, die Magie kam tatsächlich von irgendwo ganz tief aus meinem Inneren.«
»Bestimmt kehrt sie zusammen mit deiner Seele zurück«, sage ich und hänge dem Gedanken so intensiv nach, dass ich gar nicht registriere, wie Wind sich legt. Zum Glück bemerkt es Dace.
Er faltet die Hände über meinen und zieht kurz an den Zügeln. »Das ist es«, flüstert er und nickt zu einem deprimierenden, abgewrackten Wohntrailer hinüber, der eher verlassen als bewohnt aussieht. »Ich erkenne die Schrottkarre davor. Suriel hat noch nie Wert auf irdischen Komfort gelegt. Er ist enorm stolz darauf, all den Materialismus in jeder Form abzulehnen, indem er seine Besitztümer auf das absolute Minimum beschränkt. Was bei ihm zwei billige schwarze Anzüge – einen, den er praktisch jeden Tag, und einen zweiten, den er sonntags trägt –, zwei Krawatten, zwei weiße Hemden, ein Paar Schuhe, zwei Paar schwarze Socken und einen Gürtel bedeutet. Phyre hat mir zum Beweis extra mal seinen Schrank gezeigt.«
»Was, keine Jogginghosen für Gammeltage vor dem Fernseher mit Chips und Salsa?«
»Sie haben keinen Fernseher. Oder – wie Suriel es gern bezeichnet – keinen Teufelskasten. Du weißt schon, Müßiggang ist aller Laster Anfang und so.«
»Aber nach allem, was ich an Phyre gesehen habe, besitzt sie mehr als nur zwei Garnituren Klamotten. Sie sieht immer total stylisch aus – geschminkt und alles.«
»Ich weiß. Ich fand schon immer seltsam, dass er ihr in dieser Hinsicht freie Hand gelassen hat. Bei ihren Schwestern war er ganz anders. Bei denen war er viel strenger. Was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass sie lieber zu ihrer Tante gezogen sind. Na egal, jetzt sind wir jedenfalls hier, und was machen wir jetzt?«
»Ich weiß nicht«, gestehe ich, da ich darüber noch gar nicht nachgedacht habe. »Vielleicht halten wir uns einfach im Hintergrund und beobachten. Sehen, ob wir irgendwie herausfinden können, was sie im Schilde führen. Wie sie Cade töten wollen. Was wir ihnen selbstverständlich nicht durchgehen lassen dürfen.«
»Komisch, dass Suriels Bemühen, Cade zu töten, ihn noch vor wenigen Wochen zu unserem Verbündeten gemacht hätte.« Dace spricht in lässigem Tonfall, doch als ich mich zu ihm umdrehe, sehe ich seine ernste Miene.
»Und jetzt macht es ihn zur Bedrohung.« Meine Stimme klingt düster. »Was glaubst du, warum Phyre dich nicht getötet hat, als sie Gelegenheit dazu gehabt hatte?«
»Keine Ahnung.« Er reibt sich das Kinn. »Ich glaube, dass sie unabhängig davon, wie sehr ihr Vater sie auch beeinflusst hat, tief in ihrem Inneren noch immer ein anständiger Mensch ist, der Gut und Böse unterscheiden kann.« Er sieht mich reumütig an. »Pass auf, Daire, ich weiß, ich müsste eigentlich böse auf sie sein, weil sie mich in Gefahr gebracht hat, aber ich kann nicht. Damals, als ich sie kennengelernt habe, war sie ein nettes, normales, nur ein bisschen trauriges Mädchen. Irgendwie tut sie mir jetzt leid, genau wie damals. Sie wurde ausgestoßen und grausam behandelt, nur wegen ihres wahnsinnigen Vaters. Die anderen in der Schule haben sie und ihre Schwestern gezielt geschnitten. Sie hatten nie Freunde. Dann, als ihre Mutter verschwand und ihre Schwestern zu ihrer Tante gegeben wurden … Na ja, ich schätze, nachdem sie so lange isoliert von der Welt nur mit Suriel gelebt hat, war sie irgendwann so gebrochen, dass er sie einer wirksamen Gehirnwäsche unterziehen konnte.« Er wischt sich die Stirn und schüttelt den Kopf, als machte er sich vom Griff der Vergangenheit frei. »Schau!«, ruft
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