Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
Pathologen lag. Eve betrachtete das rote Blumenfeld und überlegte, ob der nackte Leichnam, der direkt danebenlag, es vielleicht zu schätzen wusste, dass ein derart eleganter Strauß in seiner Nähe stand.
Elegant war auch der Mann, der fröhlich summend seine Arbeit tat, während die Klänge eines Chorals die mit dem Geruch von Rosen und von Tod geschwängerte Luft erfüllten. Obwohl Chefpathologe Morris heute einen schwarzen Anzug trug, sah er darin weder düster noch morbide aus. Vielleicht wegen des leuchtend blauen Shirts, das er darunter trug. Dazu hatte er sich blaue und rote Kordeln in den langen, schwarzen Pferdeschwanz geflochten und eine der Rosen sorgfältig im Knopfloch seiner Jacke festgemacht.
Der durchsichtige Schutzanzug, den er über den Kleidern trug, tat seiner Attraktivität nicht den geringsten Abbruch, was sicherlich auch an seinen exotisch schräg stehenden Augen und an seinem warmen Lächeln lag.
» Hübsche Blumen«, meinte sie.
» Nicht wahr? Sie sind ein Dankeschön. Ich dachte, ich bringe sie einfach mit hierher. Sie verleihen dem Raum ein elegantes Flair, finden Sie nicht auch?«
» Sie sind einfach prächtig«, Peabody trat vor den Strauß und schnupperte daran. » Mann, das sind mindestens zwei Dutzend. Ein ganz schön großzügiges Dankeschön.«
Es war offensichtlich, dass sie wissen wollte, wer dem Pathologen dergestalt zu Dank verpflichtet war, aber Morris sah sie einfach weiter lächelnd an. » Das von einer wirklich guten Freundin stammt. Vielleicht sollte ich öfter Blumen mit zur Arbeit bringen. Schließlich hat man Toten immer schon Blumen gebracht.«
» Und warum?« Eve sah ihn fragend an.
» Ich glaube, sie sind das Symbol der Wiederauferstehung, einer Art Wiedergeburt. Was auch mein momentaner Gast zu schätzen wissen sollte«, fuhr er fröhlich fort. » Genau wie die Musik, ich habe extra Mozarts Requiem gewählt.«
» Okay.« Eve blickte zu Flores und wagte zu bezweifeln, dass er überhaupt noch irgendetwas zu schätzen wüsste, während er mit aufgesägtem Brustkorb auf dem Stahltisch lag. » Wie ist er dorthin gekommen?«
» Das Leben ist ein langer und gewundener Weg. Der in seinem Fall mit einer Dosis Gift in seinem Wein geendet hat.«
» Cyanid.«
Morris nickte zustimmend. » Zyankali, um genau zu sein. Es löst sich leicht in Flüssigkeiten auf und die Dosis hätte selbst ein Nashorn umgehauen. Ich bin noch nicht mit ihm fertig, aber abgesehen davon, dass er nicht mehr lebt, scheint er ausnehmend gesund zu sein. Fit wie ein Turnschuh oder ready for love.«
» Wie bitte?«
» Das stammt aus einem alten Lied. Die Verletzungen sind eine Folge seines Sturzes. Ungefähr drei Stunden vor Eintreten des Todes hat er Kleiemüsli, rehydrierte Bananen, Jogurt und Sojakaffee zu sich genommen. Irgendwann während der Pubertät hat er sich die Speiche im linken Arm gebrochen, doch der Bruch ist gut verheilt. Ich gehe davon aus, dass er passend zu seinem Metier mit religiösem Eifer Sport getrieben hat.«
» So hat man es mir erzählt.«
» Was vielleicht eine Erklärung für die Abnutzung seiner Gelenke, nicht aber für seine Narben ist.«
» Was für Narben?«
Morris winkte sie mit seinem Zeigefinger näher an den Tisch und hielt ihr eine Mikro-Brille hin. » Lassen Sie uns hier anfangen.« Er drehte den Computerbildschirm so, dass Peabody darauf verfolgen konnte, was sie durch die Brillen sahen, und beugte sich mit Eve über den toten Mann. » Hier, zwischen der vierten und der fünften Rippe. Sie ist nur ganz schwach zu sehen, und ich gehe davon aus, dass irgendwer versucht hat, sie so gut wie möglich zu entfernen. Nur geht das an der Rippe nicht, weshalb die Narbe dort noch immer gut zu sehen ist. Hier, gucken Sie.«
Peabody entfuhr ein gurgelndes Geräusch, als Morris die Haut über dem Brustkorb auseinanderzog.
Eve sah sich die Rippe durch die Mikro-Brille an. » Eine Stichwunde«, stellte sie fest.
» Genau. Und hier«, er wies rechts oben auf den Brustkorb, » hat es ihn ebenfalls erwischt. Ich muss ihn noch genauer untersuchen, aber meiner Expertenmeinung nach ist die erste Wunde zwischen fünf und zehn und die zweite zwischen zehn und fünfzehn Jahre alt. Dann hier noch, am linken Unterarm. Auch diese Narbe ist mit bloßem Auge kaum zu sehen. Vermutlich hat ein echter Fachmann sie entfernt.«
» Das war keine Wunde«, murmelte Eve, als sie das schwache Muster sah. » Das muss ein Tattoo gewesen sein.«
» Sie sind wirklich meine beste
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