Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
jemanden stieß, der nicht nur ein makelloses Englisch sprach, sondern obendrein mit Miguel Flores gut bekannt gewesen war.
Ein uraltes Männchen mit zwei dünnen Strähnen weißen Haars links und rechts des kahlen, sommersprossenübersäten Kopfs und einem zerfurchten, dünnen Hals, um den ein viel zu weiter weißer Kragen hing. Blinzelnd sah er sie aus trüben, braunen Augen an.
» Pater Rodriguez«, fing Eve an.
» Was? Was?«
» Pater Rodriguez«, wiederholte sie und drehte die Lautstärke des Links noch weiter auf.
» Ja, ja, ich höre Sie. Sie brauchen nicht zu schreien!«
» Tut mir leid. Ich bin Lieutenant Dallas von der New Yorker Polizei.«
» Was kann ich für Sie tun, Lieutenant Ballast?«
» Dallas.« Sie sprach jede Silbe laut und deutlich aus. » Sie kannten einen Priester namens Miguel Flores?«
» Wen? Sprechen Sie ein bisschen lauter.«
Süßer, schweißbedeckter Jesus! » Miguel Flores! Haben Sie den gekannt?«
» Ja, ich kenne Miguel. Er hat hier in der Mission San Sebastian gedient, als ich Pfarrer war. Vor meiner Pensionierung. Sagen Sie mir eins, Schwester Ballast, wie kann man einen Priester pensionieren? Wir sind dazu berufen, Gott zu dienen. Und dazu soll ich, einzig, weil ich alt bin, nicht mehr in der Lage sein?«
Eve spürte, wie der Muskel unter ihrem Auge zuckte. » Ich bin Lieutenant. Lieutenant Dallas von der New Yorker Polizei. Können Sie mir sagen, wann Sie Miguel Flores zum letzten Mal gesehen haben?«
» Als er es sich in den Kopf gesetzt hat, dass er mindestens ein Jahr auf Reisen gehen und seinen Glauben erforschen müsste, weil er plötzlich nicht mehr wusste, ob er zum Priesteramt auch tatsächlich berufen ist. Was der totale Unsinn war!« Rodriguez schlug mit seiner knochigen Hand auf die Lehne des Rollstuhls, in dem er saß. » Der Junge war ganz einfach der geborene Priester. Aber trotzdem hat ihm der Bischof die erwünschte Auszeit gewährt.«
» Das muss vor ungefähr sieben Jahren gewesen sein.«
Rodriguez starrte in die Ferne. » Die Jahre kommen und gehen.«
Ich vergeude hier nur meine Zeit, sagte sich Eve, gab aber trotzdem nicht so einfach auf. » Ich werde Ihnen ein Foto schicken.«
» Weshalb sollte ich ein Foto von Ihnen wollen?«
» Es ist kein Foto von mir.« Sie fragte sich, ob es wohl einen speziellen Heiligen gab, von dem sie Geduld erflehen könnte, um nicht plötzlich laut zu schreien. » Ich werde Ihnen ein Foto schicken. Es taucht gleich auf Ihrem Bildschirm auf. Können Sie mir sagen, ob der Mann auf diesem Foto Miguel Flores ist?«
Sie schickte ihm das Bild und sah, wie Rodriguez die Augen zu unheimlichen Schlitzen verengte und sein Gesicht so weit nach vorne schob, dass er fast mit seiner Nase an den Bildschirm stieß. » Vielleicht. Das Bild ist nicht besonders scharf.«
Das Foto war glasklar. » Ist sonst vielleicht noch jemand in der Nähe, der mir Auskunft geben kann?«
» Habe ich nicht gesagt, dass ich Miguel Flores kenne?«
» Doch, das haben Sie.« Eve atmete tief durch. » Haben Sie noch einmal etwas von ihm gehört, nachdem er auf Reisen gegangen ist?«
» Während seines Sabbaticals?«, stieß Rodriguez verächtlich aus. » Sie haben Pater Albano als Vertretung für ihn geschickt. Der Kerl kommt immer überall zu spät. Dabei ist Pünktlichkeit ein Zeichen von Respekt, nicht wahr?«
» Flores. Haben Sie noch mal etwas von Miguel Flores gehört, nachdem er die Mission verlassen hat?«
» Er ist nicht zurückgekommen«, klärte der Alte sie verbittert auf. » Er hat mir ein-, zweimal geschrieben. Vielleicht auch etwas öfter. Aus New Mexico– dort stammte er her. Aus Texas oder Nevada, glaube ich. Und noch von irgendwo anders. Dann kam ein Brief vom Bischof, in dem es hieß, Miguel hätte um seine Versetzung in eine Gemeinde in New York gebeten, und man hätte ihm diesen Wunsch erfüllt.«
» Können Sie mir den Namen des Bischofs nennen, der seinem Versetzungsantrag stattgegeben hat?«
» Was?«
Eve wiederholte ihre Frage und drehte die Lautstärke des Links dabei langsam immer weiter auf.
» Bischof Sanchez. Oder vielleicht auch Bischof Valdez.«
» Haben Sie die Briefe noch? Die Briefe, die Flores Ihnen geschrieben hat?«
» Nein.« Rodriguez runzelte die Stirn, zumindest dachte Eve, er täte es. Aufgrund der vielen Falten, die er hatte, war es nicht genau zu sehen. » Einmal hat er mir auch eine Postkarte geschickt. Die habe ich vielleicht behalten. Sie war vom Fort Alamo. Oder… vielleicht hat mir die
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