Im Namen des Todes: Roman (German Edition)
vier Minuten, länger nicht. Aber in der Zeit wurden der Leichnam bewegt und mögliche Spuren verwischt. Es tut mir leid.«
» Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Graciela schilderte ihr die Ereignisse so, wie sie auch von Pater López beschrieben worden waren.
» Kannten Sie Pater Flores?«
» Ja, ein bisschen. Er hat meinen Bruder getraut. Außerdem hat er viel Zeit im Jugendzentrum verbracht. Das tue ich auch, ich kannte ihn deshalb von dort.«
» Und, was hatten Sie für einen Eindruck?«
» Er wirkte sehr offen und an vielen Dingen interessiert. Vor allem zu den Straßenkindern hatte er einen ganz besonderen Draht. Ich dachte, vielleicht hätte er früher selbst einmal ähnliche Erfahrungen gemacht.«
» War er an einem oder mehreren der Kids besonders interessiert?«
» Das ist mir nicht aufgefallen. Aber so oft habe ich ihn dort auch nicht getroffen.«
» Hat er je versucht sich an Sie heranzumachen?«
» Sich an mich… oh nein.« Graciela wirkte erst schockiert, dann aber nachdenklich. » Nein, das hat er nicht. Und ich habe auch nie gehört, dass er diesen speziellen Schwur gebrochen hätte.«
» Hätten Sie es denn gehört, wenn es so gewesen wäre?«
» Ich weiß nicht, aber meine Familie– und die ist wirklich riesengroß– ist sehr stark in der Kirche und dieser Gemeinde engagiert. Wenn er sich an jemanden herangemacht hätte, wäre deshalb die Chance groß gewesen, dass diese Person mit uns verwandt oder auf irgendeine andere Art verbunden ist, und die Buschtrommeln in unserem Clan funktionieren wirklich gut. Außerdem ist meine Tante Rosa Haushälterin im Pfarrhaus und bekommt dort alles mit.«
» Rosa Ortiz?«
» Nein, O’Donnell.« Graciela lächelte. » Wir dehnen die Familie immer weiter aus. Ist der Pater ermordet worden, Lieutenant?«, fragte sie und ihre Miene wurde wieder ernst.
» Bisher ist es nur ein ungeklärter Todesfall. Vielleicht könnten Sie auch noch mit anderen Mitgliedern Ihrer Familie sprechen, um zu hören, ob irgendwem etwas aufgefallen ist.«
» In den nächsten Tagen wird wahrscheinlich kaum jemand von irgendetwas anderem sprechen«, bemerkte die junge Frau. » Ich werde sehen, ob ich etwas bei denen in Erfahrung bringen kann, die ihn besser kannten als ich.«
» Okay. Ich werde den Leichnam Ihres Urgroßvaters wieder freigeben. Sie und Ihr Cousin können das der Familie mitteilen, sobald wir hier fertig sind.«
» Danke, das ist nett.«
» Von welchem Revier sind Sie?«
» Vom zweihundertdreiundzwanzigsten, hier in East Harlem.«
» Und wie lange sind Sie schon dabei?«
» Seit fast zwei Jahren. Eigentlich wollte ich Anwältin werden, aber dann habe ich es mir anders überlegt.«
Und wahrscheinlich würde sie es sich noch einmal anders überlegen, dachte Eve. Weil sie einfach keinen Cop in den leuchtenden grünen Augen sah. » Ich hole meine Partnerin, und dann geben wir den Sarg von Mr Ortiz frei. Falls Ihnen in Bezug auf Flores noch etwas einfällt, erreichen Sie mich…«
» Auf dem Hauptrevier«, beendete Graciela ihren Satz. » Ich weiß.«
Damit klapperte sie auf ihren hohen Absätzen davon, und Eve sah sich noch einmal um. Ziemlich viele Tote für eine derart kleine Kirche, überlegte sie. Einer im Sarg, einer vor dem Altar und einer an einem riesengroßen Kreuz, der auf die anderen zwei heruntersah.
Einer war nach einem langen Leben nicht mehr aus dem Schlaf erwacht, einer schon in jungen Jahren plötzlich einfach umgekippt, und den Letzten hatten sie in noch jüngeren Jahren an ein Kreuz genagelt, wo er elendig verreckt war.
Gott, Priester und Gläubige, ging es ihr durch den Kopf. Ihrer Meinung nach hatte Gott auf jeden Fall das schlechteste Geschäft der drei gemacht.
» Ich kann mich nicht entscheiden, ob all diese Statuen, Kerzen und das bunte Glas eher hübsch oder unheimlich sind«, meinte Peabody, die neben Eve zum Pfarrhaus lief.
» Die Statuen sehen aus wie Puppen, und Puppen sind eindeutig unheimlich. Man erwartet immer, dass sie blinzeln oder so. Und die Puppen, die so lächeln«, Eve presste demonstrativ die Lippen aufeinander, während sie sie gleichzeitig nach oben zog. » Man weiß einfach ganz genau, dass sie jede Menge Zähne haben. Große, spitze, scharfe Zähne.«
» Ich wusste das nicht. Aber jetzt mache ich mir natürlich Gedanken.«
Die kleine, bescheidene Pfarrei hatte blumengeschmückte Fenster, an eine ausreichende Sicherung des Hauses hatte aber offenbar bisher niemand gedacht. Die offenen, geschmückten
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