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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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beiden Welten waren durch ein Unglück unwiderruflich verändert worden. Sie konnte nicht sagen, ob einer von ihnen die Vergangenheit wirklich überwinden würde. Sie konnte nur hoffen.
    Sie verließ den Schaukelstuhl. Sie hielt es für ein Zeichen des Alters, dass sie auf ihrer Veranda saß und ihrem Leben einen Sinn zu geben versuchte, nachdem das Leben nicht mehr lange genug stillstand, um es zu ergründen. Sie war erst vierunddreißig, und dennoch rannte ihr die Zeit davon. Sie war an einen Punkt angelangt, der eine Entscheidung erforderte.
    Sie ging ins Haus und schlüpfte in ein blaues, gepunktetes Kleid, das konservativste Teil in ihrem Schrank. Sie gab sich nicht die Mühe, Linien auf die Waden zu zeichnen, umso zu tun, als würde sie Strümpfe tragen. Sie zog einfach ihre schwarzen Schuhe an und machte sich auf den Weg, bevor sie es sich anders überlegte. Sie hatte einiges Geld auf ihrem Sparbuch, das meiste allerdings war vergraben. Zusammengenommen würde es reichen, um ein Haus zu kaufen. Vielleicht in Lafayette oder irgendwo in der Nähe. Sie würde Arbeit finden, etwas anderes, als ihren Körper zu verkaufen, und darauf warten, dass Raymond in aller Schicklichkeit um sie warb. Sie würde ihm auf gleicher Höhe begegnen. Egal wie, sie konnte es in die Realität umsetzen und sich damit endgültig von dem kleinen weinenden Mädchen im Garten befreien.
    Es war ein kühler, frischer Tag, an dem sie es genoss, durch die Stadt zu gehen. Sie kam am Postamt vorbei und zögerte. Wäre nett, mit Chula zu reden. Kurzentschlossen ging sie hinein.
    »Florence«, wurde sie von Chula begrüßt. Sie stand hinter einer Abtrennung und war allein. Ihr Haar war zu einem schlampigen Knoten gebunden, das Kleid war einfach, aber sie lächelte sie freundlich an. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich hätte gern meine Post.« Florence räusperte sich. »Außerdem möchte ich Ihnen für letzte Nacht danken. Sie waren sehr freundlich zu mir.«
    »Das Gleiche kann ich Ihnen sagen.« Chula kam nach vorn zum Schalter, und erst jetzt entdeckte Florence Sarah Bastion, die sich an Chulas Rock klammerte. Chula strich dem Kind über den Kopf. »Sie will mich keine Minute allein lassen, also hab ich sie zur Arbeit mitgenommen.«
    Florence betrachtete das kleine Mädchen. Sie musste keine Wahrsagerin sein, um zu sehen, dass das Kind einiges durchgemacht hatte. Was auf der Bastion-Plantage vor sich gegangen war, musste schrecklich gewesen sein. Alle Kinder waren verstört – die Jungen kleine Teufel, das Mädchen stumm. »Sie ist ein hübsches kleines Ding.«
    Chula schwang sich das Kind auf die Hüfte. »Das ist sie. Ich wünschte mir nur, sie würde reden. Seit sie bei mir ist, hat sie kein einziges Wort gesagt.«
    »Jolene erzählt überall in der Stadt herum, sie hätte sie singen hören.«
    Chula zögerte, ganz offensichtlich verkniff sie sich ihren Kommentar dazu. Es amüsierte Florence. Laut vorherrschender Meinung nahm Chula nie ein Blatt vor den Mund – auch so eine Übertreibung, was die Frau in der Post anbelangte. »Jolene war ganz aufgeregt, beinahe hysterisch, als sie bei uns ankam. Schwer zu sagen, was sie gesehen und was sie sich eingebildet hat.«
    »Nett ausgedrückt.«
    Chula lachte. »Mit der Diplomatie hab ich’s wohl nicht so. Aber man sollte mir zumindest zugutehalten, dass ich es versuche.« Sie setzte Sarah auf den Schalter. »Jolene war völlig verstört, als sie zu uns kam. Ich würde keinen Pfifferling darauf geben, was sie glaubt , gesehen zu haben.«
    »Ergibt jedenfalls alles keinen rechten Sinn.« Florence lehnte sich gegen den Schalter. »Sie kennen Raymond schon lange?«
    Chula nickte. »Wir waren in der High School zusammen. Bis wir festgestellt haben, dass es besser ist, wenn wir Freunde sind und kein Liebespaar. Aber in meinem Herzen hab ich immer einen Platz für ihn. Es tut mir weh, wenn ich ihn jetzt sehe.«
    Florence atmete tief durch. »Ich möchte, dass er mich liebt. Meinen Sie, es klappt?«
    Chula sortierte eine Hand voll Briefe. »Letzte Nacht, bevor der Sheriff aufkreuzte, ist er mir anders vorgekommen.« Sie lächelte. »Da hat wieder was von dem Mann aufgefunkelt, den ich gekannt habe. Ich glaube, Sie tun ihm gut, ob es ihm gefällt oder nicht.«
    »Das macht mir Hoffnung.« Florence richtete sich auf. »Danke, Chula. Ich hab Raymond die Stadt verlassen sehen. Wissen Sie, wohin er wollte?«
    »John und Raymond sind auf der Suche nach Clifton Hebert.« Chula schüttelte den Kopf. »Seine

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