Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
Junge aber beäugte ihn nervös.
»Ich hol ein Montiereisen, um die Tür aufzubrechen.«
»Mama hat gesagt, wir dürfen nicht in das Zimmer!« Der Junge sprang auf.
»Schon gut«, sagte Raymond. »Es muss sein. John, es ist vielleicht besser, wenn Sie mit den Kindern nach draußen gehen.« Er reichte dem Professor das Glas und schickte sie hinaus.
Das Laub raschelte unter seinen Schritten, als er zum Wagen ging. John brachte die Kinder zwanzig Meter vom Haus entfernt zu einem Baum mit einer Schaukel, der Professor hielt dabei einen lebhaften Vortrag und gestikulierte mit weitausholenden Bewegungen. Auf dem Weg zurück zum Haus hörte Raymond die klare Stimme des Mädchens, das von einer Figur in seinem Buch erzählte. Dann betrat er wieder das Haus und schloss hinter sich die Tür.
Das Holz splitterte, als er die Haspe aushebelte. Langsam drückte er die Tür auf. Der Geruch war wie eine Wand. Dann hörte er es. Das Summen der Insekten, ein Geräusch, das ihn in seinen Träumen vom Krieg verfolgte. Gegen den Geruch und seine Erinnerungen ankämpfend, trat er in den Raum. Sein Blick fiel aufs Bett. Dort lag der Leichnam von Marguerite Bastion im ersten Stadium der Verwesung.
Der Priester murmelte unaufhörlich den Rosenkranz, versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren und alle Gedanken an Adele auszublenden. Sie war jetzt in seinem Zimmer, die Tür war von außen abgesperrt, die Fenster waren mit Holzläden vernagelt. Selbst hier am Küchentisch konnte er hören, wie sie mit den Fingernägeln an den dicken Eichenbrettern scharrte. Wenn er seiner Phantasie freien Lauf ließ, konnte er spüren, wie die Haut an den Fingerspitzen riss, wie die Nagelhaut aufgeschrammt wurde. Er hielt sich an der Tischkante fest, so heftig, dass die Tasse mit dem heißen Tee, den Colista ihm zubereitet hatte, gefährlich klapperte.
»Vater Michael«, sagte Colista mit sanfter Stimme. »Der Sheriff ist da. Er hat Pinkney dabei.«
»Und Raymond?«
Mit gerecktem Hals sah Colista aus dem Küchenfenster. »Nein, Sir. Nur Pinkney.«
Der Priester hatte auf Raymond gehofft, um Adele zu überwältigen. Aus irgendeinem Grund bestand zwischen dem Deputy und Adele eine Verbindung. Er hatte sie beschützt. Wenn er nicht eingriff, würde Joe Adele einfach erschießen. Der Sheriff würde keinen Anlass sehen, eine blutüberströmte, vor Wut schäumende Verrückte lebend in Gewahrsam zu nehmen.
»Ich lass den Sheriff rein.« Colista eilte zur Tür.
Um seine zitternden Hände zu beruhigen, nippte der Priester am stark mit Brandy versetzten Tee. Zum Teufel, Colista hatte die Tasse mehr als zur Hälfte mit dem feurigen Alkohol gefüllt. Er holte tief Luft und schluckte. Er musste sich zusammenreißen. Wärme durchströmte seinen Magen, und er stand auf. Als Colista den Sheriff und Pinkney in die Küche führte, begrüßte er sie mit einem festen Handschlag.
»Sie ist in meinem Schlafzimmer eingesperrt«, sagte der Priester.
»Dann kann sie also nicht weg?« Die Erleichterung war Joe deutlich anzusehen.
Aus dem Flur kam ein Krachen, das Geräusch eines Körpers, der sich gegen Holz warf, gefolgt von wütendem Geheul. Colista, die im Flur stehen geblieben war, eilte in die Küche.
»Im Moment jedenfalls nicht«, sagte der Priester. »Aber wenn sie weiterhin die Tür so bearbeitet, lockern sich vielleicht die Angeln.«
»Großer Gott!« Pinkney ging zur Tür. »Das Mädel sah doch aus, als könnte sie noch nicht mal einen Knauf umdrehen.«
Joes Blick ging zur Teetasse auf dem Tisch, worauf der Priester Colista bat, dem Sheriff ebenfalls eine Tasse anzubieten. »Machen Sie ihn genauso wie meinen«, rief er ihr hinterher. »Und für Pinkney auch eine Tasse.« Er lächelte die beiden Männer an. »Wenn nichts mehr hilft, müssen wir uns eben Mut antrinken.« Ob es nun am Brandy lag oder an seinen Gebeten, der Priester jedenfalls hatte wieder etwas die Fassung gewonnen.
Colista bereitete den Tee und stellte die Tassen auf den Tisch. Wutgeschrei hallte durch den Gang, während die drei Männer schweigend tranken.
»Wo ist Raymond?«, fragte der Priester schließlich.
»Gefeuert. Wird er jedenfalls sein, wenn er hier auftaucht. Er ist schon wieder spurlos verschwunden.« Joe starrte auf seine Tasse.
»Wir werden ihn vielleicht brauchen«, sagte der Priester mit tonloser Stimme.
»Ohne Raymond wären wir jetzt nicht hier, dann würden wir ihn gar nicht brauchen. Dann würde Adele jetzt nämlich in einer Zelle sitzen.«
Der Priester konnte
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