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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Mutter gelöst. Francine Bless hatte die Hand auf der Brieftasche.
    »Praytor hat gesagt, für einen unternehmungslustigen Mann würde Henris Witwe eine feine Partie abgeben. Und als er das sagte, ist er ganz scharf geworden, als wäre er selber dieser Mann.«
    Raymond sehnte sich nach einem kalten Bier, um das Sandwich runterzuspülen. Aber er trank nichts in Gesellschaft von Pinkney, dessen Durst ihm meistens nur Scherereien einbrachte. »Marguerite Bastion ist mal eine Schönheit gewesen, aber jetzt läuft sie immer mit einer sauren Miene rum.« Er verzog das Gesicht. »Vielleicht lässt sie sich ja auf Praytor ein. Die würden zusammenpassen.«
    »Sie ist ›der reichste Mann in Iberia‹, das hat Praytor gesagt.«
    »Allein das wird ihr einen Haufen Probleme bescheren.« Raymond hatte noch nicht bedacht, welche Schwierigkeiten auf Henris Witwe zukamen. Irgendwie aber glaubte er nicht, dass Marguerite sich schröpfen lassen würde. »Noch irgendwas gehört?« Er nahm den letzten Bissen von seinem Sandwich.
    »Big Ethel sagt, ein paar Männer hätten davon geredet, zu Sheriff Joe zu gehen. Sie wollen, dass die Gefangene in Ketten gelegt wird.«
    Raymond wusste um den allgemeinen Missmut, dass er Adele aus dem Gefängnis geschafft hatte. »Das ist schlecht.«
    »Sie sagen, sie sollte angekettet werden. Falls sie sich wieder in einen Wolf verwandelt.«
    Raymond zündete sich eine Zigarette an. »Dann lass ich sie von ihnen schichtweise bewachen. Damit sie aufpassen, dass ihr keine Haare oder Reißzähne wachsen.«
    Pinkney riss die Augen auf. »Aber im Gefängnis wird sie sich doch nicht verwandeln, oder?«
    »Sie ist eine kranke Frau, Pinkney, kein Werwolf. Das ist alles dummes Geschwätz. Und die meisten wissen das.«
    »Aber sie hören nicht drauf. Big Ethel sagt, ihr Mann hat jetzt immer eine Waffe dabei. Schießt auf alles, was sich nachts im Wald bewegt. Sie wollen morgen noch nicht mal die Enkelkinder rauslassen, damit sie sich ihre Süßigkeiten abholen.«
    Raymond klopfte Pinkney eine Zigarette aus der Packung und erhob sich. Zeit, nach Hause zu gehen. Es war mehr als spät. Morgen würde er den Autopsiebericht durchgehen müssen, über den Doc Fletcher fast eine Woche lang gebrütet hatte.
    Sollte die Werwolf-Hysterie vollends ausbrechen, dann würde dies bald geschehen. Am nächsten Tag war Halloween, Kinder würden sich verkleiden und an die Türen klopfen, um Süßigkeiten einzuheimsen. Den meisten gefiel es, wenn ihnen ein leichter Schauer über den Rücken lief, dieses Jahr aber, hoffte er, würde man von gruseligen Streichen absehen. Pinkney musste ihm nicht sagen, dass die gesamte Gemeinde und ihr Aberglauben ein einziges Pulverfass waren.
    In einundzwanzig Tagen kam der nächste Vollmond. Der Novembermond, von den Indianern auch Schneemond genannt. Aber Schnee war von Iberia weit entfernt. Seine Algonquin-Urgroßmutter, die in den Appalachen gelebt und den Wechsel der Jahreszeiten beobachtet hatte, hatte ihm erzählt, dass der Schneemond den Menschen die Ernte bringe. Noch gut konnte er sich an ihre glänzend schwarzen Augen erinnern. Sie hatte seine Hand gehalten und ihn gewarnt, er solle aufpassen, welche Samen er säe, denn die Ernte käme bestimmt.
    »Ich werde morgen ein bisschen später kommen, Pinkney. Sag dem Sheriff, ich bin bei Doc Fletcher, und dann werde ich noch mit Vater Finley reden.«
    »Klar, Mr. Raymond.« Er stand auf. »Ich geh auch rein. Hab keine große Lust, hier draußen allein rumzusitzen.«
    Raymond ging zu seinem Wagen. Als Gesetzeshüter erhielt er mehr Benzinmarken als die anderen. Er hatte genügend Benzin, und heute Nacht hatte er das Bedürfnis, durch die Gemeinde zu gondeln, um die allgemeine Stimmung zu erfassen.
    Kurze Zeit später wurde ihm plötzlich bewusst, dass er auf der Section Line Road unwillkürlich die Richtung zum Beaver Creek eingeschlagen hatte. Kurz vor dem Tatort verringerte er die Geschwindigkeit und erinnerte sich wieder an den Abend, an dem er angenommen hatte, Emanuel Agee hätte ihm von einem Ertrunkenen berichtet.
    Als er um die Kurve bog, erkannte er im Scheinwerferlicht einen weiteren Wagen, der genau am Tatort stand. Er bremste ab, hielt an und stieg aus. Ein Mann stand allein am Straßenrand.
    Unglücksfälle zogen immer Geier an, Gaffer, die an den Schauplätzen von Unfällen oder Verbrechen aus deren Anblick Befriedigung oder Trost zogen. Der Impuls war Raymond fremd, aber er wusste, dass solche Leute meist harmlos waren. Trotzdem hatte

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