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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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nicht. Er hat Quetschungen in der Magengegend, mehrere Rippen sind gebrochen. Ich glaube nicht, dass das von einem Hund stammt.«
    Raymond sah aus dem Fenster. Draußen floss träge der Teche vorbei. »Jemand hat ihm mit irgendwas einen Schlag verpasst?«
    »Höchstwahrscheinlich. Aber, wie gesagt, mit Sicherheit kann das nicht mehr ermittelt werden. Die Verletzungen waren sehr gravierend.«
    »Jemand hat ihn so heftig geschlagen, dass dabei die Rippen gebrochen wurden. Dann ging er zu Boden, und den Rest erledigte eine Hundemeute.«
    Doc legte die Schere hin. »Das wäre auch meine medizinische Einschätzung. Aber, Raymond, es ist nur eine Einschätzung. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass sein Tod der schlimmste ist, der mir jemals unterkam.«
    Raymond schritt im Zimmer auf und ab. »Doc, haben Sie irgendwann einmal Rosa Hebert untersucht?«
    Der Doc zog seinen blutverschmierten weißen Kittel aus. »Ja.«
    »Und?«
    »Die Wunden an ihren Händen waren identisch mit solchen, die von einem großen Nagel herrühren könnten.« Der Doc ging zur Tür. Raymond musste ihn an der Schulter packen, um ihn aufzuhalten.
    »Sie hat sich die Wunden selbst zugefügt?«
    »Das weiß ich nicht.« Wieder runzelte er die Stirn. »Sie hat mich gebeten, ihr zu helfen. Sie wollte, dass die Wunden verheilen. Ich hab ihr eine Salbe und Verbandsmaterial gegeben.«
    »Sind dann die Wunden von neuem aufgebrochen?«
    Der Doc schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Zwei Tage später hat sie sich erhängt.« Er seufzte. »Ich weiß nicht, wer sich danach schlechter gefühlt hat, Vater Finley oder ich. Keiner von uns beiden hat ihr helfen können.«
    »Wenn Adele vergiftet worden wäre – welches Mittel käme als Ursache für ihr Verhalten in Frage?«
    Der Doc kniff seine grauen Augen zusammen und musterte Raymond eindringlich. »Was fragen Sie mich da?«
    »Ich glaube nämlich nicht, dass Adele irgendwas mit Henris Tod zu schaffen hat. Ich denke, der Täter versucht es ihr in die Schuhe zu schieben. Er hat ihr etwas gegeben, damit sie sich wie eine Irre aufführt und der Verdacht auf sie fällt.«
    »Haben Sie für diese Theorie irgendwelche Beweise?« Der Doc lehnte sich erschöpft gegen die Wand. »Raymond, Sie hängen sich hier ziemlich weit aus dem Fenster. Das wissen Sie.«
    »Es geht hier nicht um mich.«
    Der Doc zog die Augenbrauen hoch. »Ach, wirklich? Ich habe lange darauf gewartet, so was von Ihnen zu hören. Viele haben darauf gewartet.«
    Raymond spürte, wie er rot wurde. Der Doc war ein gerissener Schweinehund. »Gibt es ein Gift, das so etwas bewirken könnte?«
    »Ich weiß es nicht, aber ich werde mal nachschlagen. Bis dahin rate ich Ihnen, Adele ins staatliche Irrenhaus zu verlegen, wo man sie einsperren kann. Zu ihrer eigenen Sicherheit.«
    »Das werde ich nicht tun. Sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Außer dass sie krank ist.«
    Der Doc nickte. »Ich weiß nicht, ob Sie Adele retten können, Raymond, aber ich bete zu Gott, dass Sie sich selbst retten.«
    Raymond blieb noch, nachdem der Doc gegangen war. Die Autopsie würde Adele weder helfen noch ihre Lage zum Schlimmeren wenden. Natürlich war es denkbar, dass sie mit einem Prügel oder Ast über Henri hergefallen und ihn zu Boden geschlagen hatte, damit Cliftons Hunde ihn erledigen konnten. So hätte es ablaufen können, aber Raymond glaubte es nicht. Adele war unschuldig. Um das zu beweisen, würde er jetzt noch größere Anstrengungen unternehmen müssen.
     
    Henri Bastions Beerdigung fand aufgrund des Ersuchens von Deputy Thibodeaux um über eine Woche verspätet und lediglich im engsten Kreis statt. Der Priester zählte in der Kirchenkapelle Marguerite Bastion und ihre drei Kinder, daneben Jolene LaRoche, die trotz seiner Bitte, zu Hause zu bleiben, hinten Platz genommen hatte, sowie Veedal Lawrence und vier andere Männer aus der Gemeinde. Die Männer hatte er dazu verdonnert, den Sarg zu tragen. Keiner wollte als Sargträger für einen Toten fungieren, der einem Werwolf zum Opfer gefallen war. Damit würden sie ihm viel zu nahekommen.
    Hätte Thibodeaux, so ging es dem Priester resigniert durch den Kopf, nicht auf einem Trauergottesdienst im kleinsten Kreis bestanden, wären mindestens dreihundert Seelen anwesend gewesen. Eine so große Gottesdienstgemeinde fand in New Iberia nur außerordentlich selten zusammen.
    Thibodeaux erhob sich von seinem Platz in der letzten Bank und kam nach vorn.
    »Vater Michael, ich danke Ihnen für Ihre

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