Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman
er die Hand an seiner Waffe, als er ausstieg.
»Guten Abend, Raymond«, wurde er von Praytor Bless begrüßt. Er trat auf den sandigen Weg, wo Raymond ihn deutlich sehen konnte. Praytors Hosen hatten eine akkurate Bügelfalte, die Schuhe waren auf Hochglanz poliert. Mrs. Bless achtete darauf, dass ihr Sohn einen stattlichen Eindruck machte.
»Was treiben Sie hier draußen, Praytor?«
»Hier ist doch Henri gestorben, oder?«
»Warum interessiert Sie das?«
Praytor ging am Weg entlang. »Wenn Adele Hebert nicht vom loup-garou besessen war, dann muss sie ziemlich stark gewesen sein. Nach allem, was ich gehört habe, soll die Leiche ganz zerfleddert sein.«
»Warum interessiert Sie der Mord an Henri so sehr?«, wiederholte Raymond seine Frage.
»Viele interessieren sich dafür«, erwiderte Praytor so langsam und träge, wie er sich bewegte. »Die meisten in der Gemeinde hatten in der einen oder anderen Form mit Henri zu tun. Geschäftlich, solche Dinge eben.« Praytor scharrte mit dem Fuß über den Boden.
»Welche Dinge?«
»Sie werden wohl pro Frage bezahlt, was, Raymond?« Praytor lachte. »Henri war Farmer, aber wenn es darum ging, ein oder zwei Liter unversteuerten Alkohol in New Iberia loszuschlagen, hatte er seine Finger ebenfalls mit im Spiel. Das wissen Sie. Ein paar von uns Jungs waren auch beteiligt. War nur ein bisschen Taschengeld. Ich dachte, ich beichte es gleich, falls Sie mal darüber stolpern sollten und mich für einen Verdächtigen halten.« Er lächelte breit.
»Gehört zu diesen ›Jungs‹ auch Clifton Hebert?«
Praytor lachte. »Henri war derjenige, der sich um den Transport gekümmert hat, wir anderen hatten nicht viel Ahnung.«
Unter anderen Umständen hätte Raymond Praytor Bless’ Geständnis mehr Aufmerksamkeit gewidmet. »Kennen Sie jemanden, der ein Interesse daran haben könnte, Henri umzubringen?«
Praytor lehnte sich gegen seinen Wagen und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Fast alle, die ihn gekannt haben. Alles, was Henri anfasste, wurde zu Gold. Wir mochten ihn alle nicht, aber wir waren alle darauf angewiesen, mit ihm Geschäfte zu machen.«
»Gab es jemand Bestimmten, der es auf ihn abgesehen haben könnte?«
»Nicht dass ich wüsste. Henri war mit allen Wassern gewaschen. Männer wie er machen sich zwangsläufig Feinde. Hab gehört, seine Leiche sei völlig zerfleischt worden. Sie scheinen nicht zu glauben, dass Adele Hebert es getan hat.« Praytor hakte die Daumen in die Hosenträger ein. »Da sind Sie aber wahrscheinlich der Einzige in der Stadt.«
»Ich glaube nicht an den loup-garou «, gab Raymond mit ausdrucksloser Stimme zurück. »Ich würde es sehr schätzen, wenn Sie das allen sagen, mit denen Sie noch zu tun haben. Adele Hebert ist von nichts besessen, sie hat nur hohes Fieber.«
Praytor richtete sich auf. »Und wer hat dann Henri getötet?«
»Das möchte ich herausfinden.« Raymond drehte sich um und ging zu seinem Wagen. »Und, Praytor, an Ihrer Stelle würde ich lieber nach Hause fahren. Meiner Meinung nach ist in Iberia nämlich noch ein Mörder auf freiem Fuß.«
11
aymond nahm im leeren Behandlungszimmer Platz. Das Mädchen knüllte die blutigen Laken zusammen und begann mit dem Putzen. Henri Bastions Leichnam war zur Beerdigung freigegeben. Doc Fletcher legte seine Instrumente auf ein Tablett, damit das Mädchen sie wegräumen konnte.
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, wandte sich der Doc an Raymond. »Ich kann es nicht sagen. Henri Bastion ist am Blutverlust gestorben. So viel steht fest. Aber es lässt sich unmöglich bestimmen, welche Wunde die tödliche war. Er könnte auch erdrosselt oder erstochen worden sein, bevor er schließlich verblutete.«
»Stammen die Bissspuren von einem Menschen?«, fragte Raymond.
Der Doc strich sich eine graumelierte Strähne aus den Augen. Er hatte die Stirn gerunzelt, die Erschöpfung war ihm deutlich anzusehen. Er war mit Unfällen und Krankheiten vertraut, er kannte den Tod in all seinen Formen – doch das alles war in keiner Weise mit dem zu vergleichen, womit er es hier zu tun hatte.
»Die Wunden zeugen von roher Gewalt.« Der Doc räusperte sich. »Manche sind eindeutig Hunden zuzuschreiben, andere allerdings … vielleicht einem Wildschwein.« Er nahm eine Schere zur Hand und betrachtete sie. »Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, Raymond. Ich weiß, am liebsten wäre es Ihnen, wenn ich sage, ein wildes Tier hätte Henri getötet. Aber das kann ich eben
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