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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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kreischend vor und zurück. Zwei Köchinnen stützten sie, klopften ihr auf den Rücken und flüsterten ihr zu. Von Leroy war nichts zu sehen.
    Aus dem Herd kräuselten sich bereits Rauchfäden. Raymond trat ein, schaltete den Herd aus und zog das Blech mit den verkohlten Brötchen heraus. Eine der Köchinnen bedankte sich mit einem Nicken, machte aber keinerlei Anstalten, sich von Big Ethel zu entfernen.
    »Ist Leroy noch hier?«, fragte Raymond.
    »Ist fort, um Clifton Hebert zu suchen.« Die Frau klang völlig verzweifelt. »Er will Clifton holen, damit er Peat Moss findet.«
    Raymond trat näher. »Ethel, kannst du mit mir reden?«
    Sie musste ihn gehört haben, denn ihr Rucken verlangsamte sich. Die beiden Köchinnen traten zurück, warteten einen Augenblick, um sicherzugehen, dass sie nicht mehr benötigt wurden, und machten sich wieder an ihre Arbeit, tuschelten und murmelten leise Gebete. Ethel wischte sich Tränen aus den Augen und zog den Schurz nach unten, in den Händen hielt sie einen Rosenkranz.
    Sie war eine untersetzte Frau mit karamellfarbener Haut, graue Strähnen zogen sich durch ihr Haar. »Meine Enkelin ist seit fast zwölf Stunden verschwunden. Sie ist doch erst vier.«
    »Ich weiß.« Er legte sich seine Fragen zurecht. »Sie ist so gegen acht raus zur Toilette. Erzähl mir, was du weißt.«
    »Sie war als Gespenst verkleidet. Sie ist herumgezogen, obwohl ihr Daddy strikt dagegen war. Hat einen ganzen Sack voller Süßigkeiten bekommen. Leroy sagt, sie ist raus und hat allen zeigen wollen, wie erwachsen sie schon ist und dass sie es allein kann. Als sie nicht zurückgekommen ist, ist er nachsehen gegangen. Da war sie verschwunden.« Lautlos liefen ihr Tränen über die Wangen. »Einfach verschwunden. Peat Moss ist so ein gutes Kind, ein bisschen langsam vielleicht, aber sie weint nie, nie macht sie Gezeter. Einfach ein gutes Kind.« Sie wandte den Kopf ab und schniefte.
    »Kann es sein, dass Peat Moss einfach in den Wald gelaufen ist?«
    Ethels Schluchzen ließ nach. »Sie mag den Wald. Hat noch nie Angst vor der Dunkelheit gehabt, so wie andere Kinder.« Abgehackt holte sie Luft. »Sie meinen, sie könnte weggelaufen sein?«
    Raymond wollte sie nicht belügen, noch nicht einmal, um sie zu trösten. »Ist es möglich, dass sie von jemandem abgeholt wurde? Einem Verwandten, um bei ihm zu übernachten?«
    Big Ethel schüttelte den Kopf. »Das hätte ihre Mutter doch gewusst. Sie ist erst vier. Sie würde nicht woanders übernachten.«
    Raymond hatte keine Kinder, von seinen Verwandten aber wusste er, dass eine Vierjährige niemals freiwillig in stockfinsterer Nacht in den Wald gehen würde. Nicht allein, und schon gar nicht an Halloween. Nicht ohne gezwungen oder dazu verführt zu werden.
    »Wird sonst noch was vermisst?«
    Big Ethel biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »Leroy hat nichts gesagt. Nur dass er Freiwillige mit Waffen auftreiben will, und wenn sie den finden, der Peat Moss entführt hat, werden sie ihn erschießen. Clifton Hebert kann sogar Gespenster aufspüren. Bis heute Nacht hätten sie Peat Moss wieder zu Hause.«
    Raymond war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Was er im Moment auf keinen Fall gebrauchen konnte, war ein Lynchmob, der durch die Sümpfe stürmte. »Wir werden alles unternehmen, um sie zu finden.« Er hörte selbst, wie hohl seine Worte klangen, und sah auf seine ausgetretenen, schlammbedeckten Stiefel.
    Es klopfte an der Tür. Raymond sah auf. In der Küchentür erschien Pinkney, Angst und Zweifel zeichneten sich in seiner Miene ab.
    »Mr. Raymond, ich hab eine Nachricht für Sie. Es ist wichtig.«
    »Worum geht’s?«
    Pinkney sah zu Big Ethel und schüttelte den Kopf. »Am besten kommen Sie kurz raus.«
    Raymond tätschelte Ethel die Schulter, bevor er sich nach draußen begab. »Was?«
    »Vater Finley hat angerufen. Er sagt, an der Eiche, an der er Rosa Hebert gefunden hat, hängt eine Leiche.«
     
    Die Sonne stand höher in den Eichenästen, als Raymond am Pfarrhaus eintraf. Sein alter Chevy klapperte und knirschte. Der Unfall vor Florence’ Haus hatte seine Spuren hinterlassen. Aber es war noch zu früh, die Werkstätten hatten noch nicht geöffnet. Solange der Wagen noch lief, blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn zu benutzen.
    Er ging gleich ums Haus herum, vorbei am Garten und zu der Eiche, von der er Rosa Hebert geschnitten hatte. Ihm zog sich alles zusammen, als er den in ein weißes Laken gehüllten Leichnam sah, der an

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