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Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman

Titel: Im Nebel eines neuen Morgens - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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alles, um es sich nicht anmerken zu lassen. »Doc kennt sie nicht?«
    »Er kennt sich mit den einheimischen Pflanzen nicht aus. Doc Fletcher glaubt, Heilung gibt es nur mit den Pillen aus dem Drugstore.« Sie lächelte, griff erneut in ihren Schurz und zog eine Packung Camel heraus. Sie bot Raymond eine an, entfachte am Daumennagel ein Streichholz und gab ihm und sich selbst Feuer. »Der Doc will nicht einsehen, dass seine kostbaren Pillen aus den gleichen Pflanzen gemacht werden, die hier in den Sümpfen wachsen.«
    »Ich hab gehofft, du hättest eine Antwort für mich.« Seine Wut hatte sich verzogen, was blieb, war Enttäuschung.
    »Gibt es noch jemanden, der dir helfen könnte?«, fragte sie.
    Raymond schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich danke dir, Madame.« Er hielt den Stofffetzen an die Brust gedrückt. »Irgendwas von Adele gesehen?«
    »Nein.« Sie ging ans Fenster und sah zum Teche hinaus. »Sie will sterben, Raymond. Das musst du akzeptieren. Ob sie verhungert oder erschossen wird, Adele hat ihren Weg gewählt.«
    »Das glaube ich nicht. Jemand benutzt sie. Jemand schiebt ihr die Schuld an einem Mord zu, den sie nicht begangen hat.« Es fiel ihm schwer, sich mit ihr vom Krankenbett aus zu streiten. Er winkte sie heran und reichte ihr seinen Zigarettenstummel. Sie ging wieder ans Fenster und warf beide Kippen hinaus.
    »Wie bist du hierhergekommen?« Langsam kam er wieder zu sich.
    »Chula hat mich gebracht. Aber sie ist mit ihrem neuen Mann wieder gefahren und will bei der Suche nach Peat Moss mithelfen.«
    »Ich kann den Sheriff rufen, damit er dich heimfährt.«
    »Ich bin noch nicht so weit.« Sie nahm die Breipackung zur Hand. »Warum hast du solche Angst davor, dich zu heilen, Raymond? Warum willst du nicht wieder gesund werden?«
    Er kannte die Antwort. Das letzte halbe Jahr hatte er sich mit nichts anderem beschäftigt. »Ich habe es nicht verdient, geheilt zu werden.«
    »Ah, eine Herausforderung für jeden Heiler.« Sie legte ihm die Packung über die Beine. »Wenn deine Frau dich losschneidet, dann trag das auf. Es enthält einen mächtigen Fetisch, der ist vielleicht so stark, dass er dir deine Finsternis nehmen kann.«
    Sie beugte sich zu ihm hinab, ihre Lippen berührten kurz seine Stirn. »Die Finsternis kann von dir abfallen, Raymond. Wenn du es willst.«
    Ihre weichen Schuhe gaben keinen Laut von sich, als sie aus dem Zimmer ging.
     
    Sarah Bastion saß auf Chulas Schoß, während sie an der Vermillion Road auf die anderen warteten, die einen der Suchtrupps für Peat Moss Baxter bildeten. Der Nebel hatte sich schließlich gelichtet, und die Welt sah wieder aus wie gewohnt.
    Chula ließ die Finger durch Sarahs dünnes dunkles Haar streichen. Sie hatte mehrere Krähennester herausschneiden müssen, und das Kind in die Badewanne zu stecken war ein einziger Kampf gewesen. Unter ihrer Dreckschicht hatte Chula Schnitte und blaue Flecken entdeckt, die von monatelanger Vernachlässigung zeugten. Wenn es nach Chula ging, dürfte kein einziges der Bastion-Kinder zu seiner Mutter zurückkehren.
    Sarah schien es zufrieden, sich gegen Chula zu lehnen und in den Wald starren zu können, ein Verhalten, das Chula beunruhigte. Das Kind war viel zu still, viel zu fügsam. Es sei denn, Chula wollte es allein lassen. Dann klammerte sich Sarah mit aller Gewalt an sie, hängte sich an ihr Bein oder ihren Rock oder was sie gerade zu fassen bekam. Letztendlich hatte sie sie mitnehmen müssen. Das Kind hatte bei der Suche eigentlich nichts verloren, aber es wäre noch schlimmer gewesen, wenn sie es zurückgelassen hätte.
    Der Ruf eines Falken lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Wald. Das Kind hob den Kopf, gab aber keinen Laut von sich. Chula fragte sich, ob Jolene LaRoche nicht einfach alles erfunden hatte, was sie auf der Bastion-Plantage gesehen – und gehört – haben wollte. Denn soweit Chula es bislang sagen konnte, war Sarah stumm.
    »John kommt bald wieder«, versuchte sie Sarah zu beruhigen, nachdem sie mitbekommen hatte, wie deren Blick John gefolgt war. Sarah schien ihn zu mögen. John war in den Wald gegangen, offensichtlich, um sich zu erleichtern. Er war zu sehr Gentleman, um solche Einzelheiten offen auszusprechen. Chula musste lächeln. Ein paar Monate in den Sümpfen würden ihn von seinem Schamgefühl kurieren.
    »Sarah, weißt du, wohin deine Mutter gegangen ist?« Chula sprach das Kind in regelmäßigen Abständen an und hoffte, das Mädchen zum Reden bringen zu können. Aber Sarah suchte

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