Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)

gerne. Der Spinnenmann war es bisher gewöhnt, alle Zeit der Welt zu haben. Aber das ist jetzt anders.«
    Jimmys Miene verdüsterte sich noch mehr. »Auf wen ist er wütend?«
    »Auf mich«, sagte Lizzy.
    Jared widersprach nicht. »Ich vermute, dass der Spinnenmann an dem Tag sein Comeback beschlossen hat, als Frank Lyle öffentlich gestand, er wäre der berüchtigte Serientäter, der vier junge Mädchen auf dem Gewissen hat. Das hat den echten Spinnenmann auf die Palme gebracht. Serienmörder sind scharf darauf, wegen ihrer Taten im Rampenlicht zu stehen. Und dann erklärte sich Lizzys Vater bereit, im Fernsehen eine Reihe von Interviews zu geben …«
    »Wieso sollte das den Spinnenmann interessieren?«, fragte Jimmy skeptisch.
    »Ich glaube weniger, dass es ihn interessiert hat, als vielmehr, dass er gespannt darauf war, was Lizzys Vater zu sagen hatte. Immerhin war Lizzy vermutlich der Grund dafür, dass er mit dem Morden aufgehört hat, zumindest am Anfang. Er musste befürchten, dass sie seine Identität preisgibt oder zumindest die Polizei auf seine Spur führt.«
    »Und dann hat mein Vater zu viel gesagt«, fügte Lizzy hinzu, »und der Spinnenmann muss förmlich ausgerastet sein.«
    Jared nickte. »Höchstwahrscheinlich hat ihn die Vorstellung in Rage gebracht, dass er verraten und belogen wurde.«
    Jimmy tat sich schwer, diesem Gedankengang zu folgen. »Verraten von wem?«
    »Von mir«, sagte Lizzy. »Ich hatte es geschafft, ihn davon zu überzeugen, dass er mir etwas bedeutete und ich ihn wie einen Vater liebte. Es hat nicht lange gedauert, bis ich kapierte, dass erseine Opfer gut kannte. Aber er kannte mich nicht. Er dachte, er tue der Welt einen Gefallen, indem er Mädchen im Teenageralter eliminierte, die in seinen Augen ungezogen waren. Mir war klar, dass ich nur dann eine Überlebenschance hatte, wenn ich ihm den Eindruck vermittelte, ich sei ein braves Mädchen.«
    »Das war seine Vorgehensweise«, sagte Jared. »Ein Mädchen finden, das zu seiner Vorstellung von einem
ungezogenen
Mädchen passte. Dann warten, beobachten und alles über sie erfahren. Aber jetzt ist er auf Lizzy sauer, weil sie ihn verraten hat, und wird deshalb nachlässig.«
    »Hayley Hansen lag gar nicht mal so falsch«, murmelte Jimmy.
    Lizzy sah ihn an und hatte zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, das Gefühl, dass sie auf derselben Seite standen. »Denken Sie dasselbe wie ich?«
    »Das werde ich auf keinen Fall zulassen«, sagte Jared.
    »Dir bleibt gar nichts anderes übrig.«
    »Der Spinnenmann wird langsam unruhig«, sagte Jimmy. »Seine Geduld ist am Ende und das könnte uns letztendlich in die Hände spielen.«
    »Wir müssen schnell handeln«, pflichtete Lizzy ihm bei.
    »Er wird deinen Plan durchschauen«, sagte Jared. »Mag sein, dass er nachlässig geworden ist, aber deswegen ist er noch lange nicht dumm. Die Lockvogelnummer hat vielleicht bei Hayley funktioniert, wobei ich mir allerdings nicht sicher bin, ob sie wirklich vorhatte, sich von dem Mann verschleppen zu lassen. Ich will wissen, von wem das Blut stammt. Der Spinnenmann wird sich nicht zweimal reinlegen lassen.«
    Jimmy legte Jared eine Hand auf die Schulter. »Wir werden Lizzy gründlich im Auge behalten. Sie wird mehr Kabel und Drähte an ihrem Körper tragen als jeder Kabelfernsehsender.«
    Jared schüttelte den Kopf.
    Lizzy nahm Jareds Hand in die ihre und drückte sie. »Ich muss es tun.«

Samstag, 20. Februar 2010, 19:02 Uhr
    Ein lautes
Popp
ertönte, und der Wagen machte einen Satz nach vorn. Jessica hielt das Lenkrad fest umklammert und schaffte es irgendwie, den Honda auf den Seitenstreifen zu lenken. Sie stieg aus und sah das Problem. Der Wagen hatte hinten links einen Platten. Sie blickte zum dunkler werdenden Abendhimmel empor und musste unvermittelt heulen. Die Tränen ließen sich nicht zurückhalten. Jessica stemmte die Hände in die Hüften und hielt ihren Blick nach oben zum Himmel gerichtet, wo ein einsamer Stern funkelte. Obwohl sie eine Ewigkeit nicht mehr geweint hatte, wusste sie, dass diese blöde Reifenpanne nicht der Grund dafür war. So etwas konnte sie verkraften.
    Nach Marys Verschwinden war ihre Familie zerbrochen. Unfähig, mit seinen Schuldgefühlen zu leben, die ihn jedes Mal überkamen, wenn er seiner Frau und seinen Kindern in die Augen sah, packte ihr Vater seine Sachen und verschwand. Danach dauerte es nicht lange, bis ihre Mutter regelmäßig zur Flasche griff und ihr Bruder mit Drogen experimentierte. Jessica tat ihr