Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
ins Freie. Jared wartete, bis sie abgeschlossen hatte, und gab ihr unerwartet einen Kuss. Seine Lippen berührten kurz und flüchtig die ihren, ein warmes Gefühl. Lizzy hatte bisher keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was letzte Nacht zwischen ihnen passiert war und was es bedeutete – wenn es überhaupt etwas bedeutete. »Was soll das jetzt?«
»Versprich mir, dass du keine Türen eintrittst und hineinstürmst, wenn du etwas Verdächtiges siehst.«
Sie nickte.
Er wartete.
»Was ist los mit dir?« Als er nichts erwiderte, zog sie eine Augenbraue hoch. »Okay«, sagte sie, »ich verspreche es. Ich bin ein braves Mädchen und rufe dich sofort an, wenn ich etwas Verdächtiges sehe.«
Samstag, 20. Februar 2010, 19:36 Uhr
Jessica hielt vor Gilmans Haus am Straßenrand, stellte den Motor ab und warf einen Blick auf ihr Handy, das neben ihr auf dem Sitz lag. Wenn der Akku nicht den Geist aufgegeben hätte, hätte sie den Abschleppdienst anrufen können. Stattdessen hatte sie den Reifen selbst wechseln müssen. Kein Wunder, dass Lizzy bis jetzt noch nicht zurückgerufen hatte – ein leerer Akku machte es den Leuten nicht gerade leicht, wenn sie einen erreichen wollten.
Jessica schloss die Wagentür, steckte die Hände in die Taschen und ging auf das Haus zu, in dem der komische Kauz wohnte. Der Wind pfiff durch die Bäume. Dunkle Wolken schoben sich vor den Mond, während Jessica die rechte Hand tiefer in die Tasche schob und die Kel-Tec P3AT ihrer Mutter fest umklammerte. Sie hatte die Pistole zufällig vor achtzehn Monaten entdeckt, aber nicht weiter daran gedacht … bis heute.
Der Fußweg zur Eingangstür hatte Risse und Sprünge und die Hecken waren schon länger nicht mehr geschnitten worden. Äste schabten an der Hauswand und Laub wirbelte um ihre Füße. DieFlagge flatterte im Wind um den Mast herum. Als Jessica die Tür erreichte, fiel ihr ein, dass sie eigentlich zuerst zu Lizzy hätte gehen sollen, anstatt alleine hierherzukommen. Aber sie war nie eine von der geduldigen Sorte gewesen. Wenn sich erst einmal eine fixe Idee in ihrem Kopf festsetzte, konnte sie nicht einfach untätig herumsitzen und warten. Sie gehörte zu dem Typ Mensch, der erst schoss und dann Fragen stellte.
Sie schaute über die Schulter zurück und ließ ihren Blick über die Straße huschen. Ringsherum war es still. In einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite brannte ein Licht. Jessica hatte keine Ahnung, was sie sagen oder tun würde, wenn jemand aufmachte. Trotzdem hob sie die Hand und schlug mit den Knöcheln an die Tür. Nach ein paar Sekunden klopfte sie noch einmal. Dann schob sie die Hand in die Tasche und schloss die Finger um die Pistole. Sie hatte noch nie eine Schusswaffe abgefeuert.
Wie schwer würde das wohl sein?
Kapitel 31
Samstag, 20. Februar 2010, 19:55 Uhr
Lizzy blickte durch die Windschutzscheibe ins Innere des Hondas. Die Handtasche auf dem Beifahrersitz sah wie die von Jessica aus. Das Mobiltelefon mit all dem glitzernden Schnickschnack fiel ihr ebenfalls ins Auge – Jessicas Handy. Scheiße. Sie lief über den Rasen und blickte durchs Küchenfenster. Außer einem dünnen Lichtstreifen, der am Ende des Flurs durch eine Tür fiel, war es in dem Haus dunkel. Aber sie hörte Musik.
Von Jessica keine Spur. Lizzy griff in die Tasche und stellte fest, dass sie in der Eile ihr Handy im Auto vergessen hatte. Sie wollte gerade zurückgehen, als im Haus ein Krachen ertönte – und dann Schreie, gefolgt von ein paar lauten, dumpfen Schlägen.
»Jessica!«, schrie sie und rannte zurück zum Fenster. Im selben Moment ging die Tür am Ende des Flurs auf und gab den Blick auf einen nackten Mann frei. Zunächst sah es so aus, als liefe er in Richtung Eingangstür, aber dann verschwand er in ein anderes Zimmer. Jessica folgte ihm dicht auf den Fersen.
»Jessica!«, schrie sie noch einmal. Was zum Teufel machte das Mädchen da drinnen? Lizzys Aufschrei ging in der lauten Musik unter. Verdammt! Sie riss die Pistole aus dem Halfter und ranntezur Eingangstür, wo sie fest klopfte und dann auf die
Klingel drückte. Nichts geschah. Sie lief zum Gartentor, drückte die Klinke herunter und lief an einer Reihe von Mülltonnen vorbei nach hinten in den Garten. Eine Glasschiebetür, die ins Hausinnere führte, stand weit offen.
Samstag, 20. Februar 2010, 20:01 Uhr
Die Schlangen waren am Vortag eingetroffen, sechs an der Zahl. Zwei Klapperschlangen der Gattung Eastern Diamondback, drei
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