Im Netz des Spinnenmanns: Thriller (German Edition)
leicht, sodass das Mondlicht zwischen den Lamellen hindurchscheinen konnte. Dann wandte sie sich ihm wieder zu und sagte: »Abgesehen von der Maske hat er nie gleich ausgesehen. An einem Tag trug er einen Bart und am nächsten einen Schnurrbart. Mit seinen Haaren machte er es genauso. Mal lang, mal kurz, mal blond, dunkelbraun oder schwarz. Aber nie dieselbe Farbe.«
Lizzy trat wieder an die Couch, auf der Jared saß, und legte eine Hand auf die Rückenlehne. »Nur damit das klar ist, ich glaube, er ist manchmal aus dem Haus gegangen. Manchmal gab es nämlichTage, an denen ich ihn weder gesehen noch gehört habe. Am Anfang hatte ich ständig Angst. Aber irgendwann war mein Hunger größer als meine Angst. Und am Schluss hatte ich Hunger und mir war kalt und außerdem war ich stinksauer.«
Ihr Kinn zuckte. Sie krallte ihre Finger in die Couchlehne und sah ihn an. »Wusstest du, dass mein Vater meiner Mutter Vorwürfe gemacht hat, weil sie mir in jener Nacht erlaubt hat, auszugehen?«
Er nickte.
»Dann weißt du bestimmt auch, dass sie sich binnen eines Jahres nach meiner Entführung scheiden ließen.«
Er legte seine Hand auf ihre.
Sie zuckte zusammen, zog aber die Hand nicht weg. Ihre Haut war weich. Sie zitterte. Der bohrende Schmerz in seiner Magengegend gefiel ihm nicht. Obwohl sie sich stark gab, war sie psychisch labil.
»Wenn ich auf meinen Vater gehört hätte«, sagte sie, »wäre das alles nicht passiert.«
»Dann hätte der Spinnenmann ein anderes Opfer gefunden.«
»Vielleicht.« Sie sah ihn lange und hart an. »So, wie geht’s jetzt weiter?«, fragte sie. Ihr Blick war scharf, aber ihre Stimme klang nicht mehr so aufgeregt. »Das FBI geht davon aus, dass er es auf mich abgesehen hat, nicht wahr?«
»Wenn der Typ, der dich heute angerufen hat, wirklich der Spinnenmann war, dann ist das mehr als nur eine Möglichkeit.«
Sie hob trotzig ihr Kinn. »Nur damit du es weißt, ich habe keine Angst.«
»Aber ich habe Angst um dich.«
»Das brauchst du nicht.« Ihre Augen blitzten entschlossen auf. »Heute Abend habe ich auf dem Weg hierher einen Entschluss gefasst.«
»Einen Entschluss?«
»Ich werde den Spinnenmann finden«, sagte sie. »Ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens verstecken und bei jedem Geräusch zusammenzucken. Ich werde dieses kranke Arschloch finden, bevor er wieder zuschlägt.«
»Und wie willst du das tun?«
»Ich werde die Medien kontaktieren und ihm eine persönliche Nachricht zukommen lassen.«
Kapitel 7
Montag, 15. Februar 2010, 23:59 Uhr
Er überlegte sich, ob er noch eine Beruhigungstablette schlucken sollte. Seine Hände zitterten. Das hatten sie früher nie getan. Er wandte sich von dem Mädchen namens Sophie ab und ging zur Tür. Plötzlich fuhr er auf dem Absatz herum und sagte: »Buh!«
Sie riss die Augen weit auf. Er hörte sie unter dem Klebeband stöhnen.
Er seufzte. War das alles, was in ihr steckte? »Du hättest deine Mutter nicht beschimpfen sollen«, sagte er mit erhobenem Zeigefinger. »Vor allem nicht vor anderen Leuten.« Er schüttelte den Kopf. »Nur verdorbene Mädchen ziehen sich wie Nutten an und fluchen wie Kutscher. Weißt du, warum ich mir ausgerechnet dich geschnappt habe, Sophie?«
Sie schüttelte den Kopf. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter.
»Weil du keinerlei Respekt vor älteren Menschen hast. Weißt du, was meine Eltern mit mir gemacht hätten, wenn ich bei ihnen eine freche Lippe riskiert hätte?«
Sie schüttelte den Kopf und zitterte am ganzen Körper. Wie diese blöden Chihuahuas, wenn sie sich schüttelten. Dieser Teenie-Göremangelte es nicht nur an Respekt vor ihren Eltern, sondern auch an Rückgrat.
»Mein Vater hätte mich mit einer Rasierklinge geschnitten«, sagte er mit Nachdruck.
Jetzt traten ihr fast die Augen aus den Höhlen.
Schon besser
.
Er ging zur Kommode und öffnete die oberste Schublade, um seine Sammlung an Skalpellen und Rasierklingen zu begutachten. Er hielt eine besonders scharfe, gekrümmte Klinge hoch, damit Sophie sie sehen konnte. Ein Instrument für Präzisionsschnitte, hergestellt in England.
»Sollten wir mit dem hier anfangen, Sophie?«
Sie schloss die Augen. Ihre Lippen zitterten. Vermutlich betete sie zu irgendeinem unsichtbaren Gott, der sie nicht hören konnte.
Er hielt inne und starrte sie an.
Warum spürte er nichts?
Er zählte bis zehn. Nichts. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. In seinen Lenden spürte er nicht das geringste Kribbeln. Das Mädchen langweilte ihn.
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